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Max Weber (German Edition)

Max Weber (German Edition)

Titel: Max Weber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kaesler
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Wissenschaft». Wissenschaftlicher Erfolg im Sinne brauchbarer Ergebnisse sei nur «im Falle strengster Spezialisierung» möglich, wenn sich der Wissenschaftler mit der dafür notwendigen Energie in seine Disziplin oder Idee völlig hineinvertieft. Einigermaßen pathetisch betonte Weber, dass alle solche wissenschaftliche Spezialisierung nichts wert sei, wenn sie nicht mit «Leidenschaft» betrieben werde. Um das «Vollgefühl» zu erlangen, «einmal und vielleicht nie wieder im Leben» etwas geleistet zu haben, was «dauern» wird, brauche es die Fähigkeit, sich selbst «Scheuklappen» anzuziehen und sich in die Vorstellung hineinzusteigern, «daß das Schicksal seiner Seele davon abhängt», ob man die selbstgestellte Aufgabe lösen könne.
    Doch auch die Leidenschaft sei es nicht allein, die die innere Berufung zur Wissenschaft ausmache. Denn weiterhin benötige der Wissenschaftler eine «Eingebung», ohne die jede noch so große Leidenschaft ergebnislos bleiben würde. Grundlage einer solchen Eingebung sei harte Arbeit im eigenen Fachgebiet. Der unersetzbare Einfall selbst sei aber nicht steuerbar, sondern an komplexe Bedingungen geknüpft, die weder mit der wissenschaftlichen Arbeit selbst in Zusammenhang stehen müssen noch von außen erklärbar sind. Weber verglich diese Grundbedingung wissenschaftlichen Fortschritts mit der Phantasie und Inspiration eines Künstlers, die zunächst unabhängig von den zukünftigen Werken existieren müssen, um Kunst schaffen zu können. Des Weiteren müssen Künstler ebenso wie Wissenschaftler «rein der Sache dienen», um einen echten Fortschritt zu erzielen bzw. ein bedeutungsstarkes Kunstwerk zu schaffen. Wissenschaftliche und künstlerische Persönlichkeit erreiche man also gerade dadurch, dass die eigene Person untergeordnet oder sogar ausgeklammert werde. Jedem (angehenden) Wissenschaftler sollte jedoch auch der grundsätzliche Unterschied zwischen Kunst und Wissenschaft bewusst sein: Ein Kunstwerk könne, da es keinen unmittelbaren Zweck erfülle, sondern unterschiedlichste subjektive Bedeutungen besitze, theoretisch unabhängig von äußeren Veränderungen überdauern und bleibende Erfüllung schenken.
    Ein wissenschaftlicher «Fortschritt» hingegen sei dazu verdammt, entweder überholt oder widerlegt zu werden. Die Bedeutung wissenschaftlicher Funde sei nur von begrenzter Dauer, da wissenschaftlicher Fortschritt niemals zu einem endgültigen Ergebnis gelange, sondern sich im ewigen Wandel befinde. Dieser Unterordnung in einen ewigen Prozess müsse sich der Wissenschaftler bewusst werden, andernfalls sei ein langfristiges Engagement kaum vorstellbar, da dieses auch das Infragestellen und Widerlegen eigener Ergebnisse umfasse. Das Tragische an jeder noch so leidenschaftlich betriebenen Wissenschaft sei ihr «Schicksal», überboten zu werden. Hier verließ Weber das Thema des «inneren Berufs» zur Wissenschaft und warf das «Sinnproblem der Wissenschaft» auf, ja mehr noch: das Sinnproblem des menschlichen Lebens und Sterbens überhaupt.
    Seine Charakterisierung wissenschaftlicher Arbeit wirkt zunächst sehr ernüchternd: «Warum betreibt man etwas, das in der Wirklichkeit nie zu Ende kommt und kommen kann?» Ganz grundsätzlich gehe es darum, durch wissenschaftliche Erkenntnisse, die Dinge «durch Berechnen beherrschen zu können», es gehe um «die Entzauberung der Welt». Um den Unterschied zwischen unserer technisierten modernen Welt und früheren Gesellschaften zu verdeutlichen, bemühte Weber als Antwort den von ihm so genannten «Intellektualisierungsprozess». Zwar wisse der einzelne Mensch in der heutigen Zeit nicht wesentlich mehr über seine unmittelbaren Lebensbedingungen «als ein Indianer oder ein Hottentotte», aber während jene bestimmte Alltagsphänomene unberechenbaren Mächten zuordneten, besäßen wir die Möglichkeit, uns entsprechend unserem wissenschaftlichen Wissen zu informieren.
    In verblüffender Volte seiner Ausführungen bezog sich Weber auf den russischen Schriftsteller Leo Tolstoi und dessen Frage, ob der Tod eine sinnvolle Erscheinung sei oder nicht. Bei seinem Grübeln darüber sei Tolstoi zum Ergebnis gekommen, dass der Tod für den Kulturmenschen nicht sinnvoll sei, da er allenfalls «lebensmüde», nicht aber «lebensgesättigt» sein könne, da er im ständigen Prozess des Fortschritts stehe und nicht unabhängig von diesem existieren könne. Damit gelangte er zum dramatischen Schluss, bei dem es ihm um die Frage ging: «welches

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