Max Weber (German Edition)
gewordenen 55-jährigen Gelehrten fort. Wie bereits bei Wissenschaft als Beruf überarbeitete Weber auch diesen ihm nach dem Vortrag übermittelten Text, die stark erweiterte Fassung erschien ebenfalls als separate Broschüre Anfang Juli 1919 in einer Startauflage von 3000 Exemplaren.
Die Rede begann mit der Festlegung dessen, was Weber unter «Politik» verstanden wissen wollte, nämlich «die Leitung oder die Beeinflussung der Leitung eines politischen Verbandes, heute also: eines Staates». Diesen wiederum bestimmte er als «diejenige menschliche Gemeinschaft, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes […] das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit für sich (mit Erfolg) beansprucht». Konsequenterweise fasste Weber zusammen: «‹Politik› würde für uns also heißen: Streben nach Machtanteil oder nach Beeinflussung der Machtverteilung, sei es zwischen Staaten, sei es innerhalb eines Staates zwischen den Menschengruppen, die er umschließt. […] Wer Politik treibt, erstrebt Macht, – Macht entweder als Mittel im Dienst anderer Ziele – idealer oder egoistischer – oder Macht ‹um ihrer selbst willen›: um das Prestigegefühl, das sie gibt, zu genießen.»
Nach diesen straffen definitorischen Festlegungen erörterte er die Bedingungen und Voraussetzungen des «äußeren Berufs zur Politik» sowie die Geschichte der Entwicklung politischer Parteien und der damit verbundenen Typen politischer Machtausübung und von Politikern. Diese diskutierte Weber unter dem Gesichtspunkt der Herausbildung «politischen Führertums», wobei er die «Berufspolitiker», die selbst die Machtausübung anstreben – von den antiken und mittelalterlichen «Demagogen» bis zu den modernen «Parteiführern» –, von solchen Politikern unterschied, die nicht selbst Herrscher sein wollen, sondern sich professionell in den Dienst der Herrscher stellen. Die zentrale Unterscheidung Webers war diejenige zwischen «Gelegenheitspolitikern» und «Berufspolitikern», die er definierte als eine zwischen jenen, die «für die Politik» leben, und denen, die «von der Politik» leben (müssen), insbesondere in ökonomischer Hinsicht.
Es folgten detailfreudige Ausführungen über verschiedene historische Typen der politischen Parteien in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und den USA seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Während es insbesondere in England und den USA zur Ausbildung von plebiszitärer Herrschaft durch die «Auslese» von «Führerpersönlichkeiten» gekommen sei, die die «Maschinen» der modernen Parteien durch Rhetorik und «Ausnutzung der Emotionalität der Massen» beherrschten, habe man in Deutschland – als Folge einer «kleinbürgerlichen Führerfeindschaft» – politische «Führer» verabscheut. Die faktische Machtlosigkeit der deutschen Parlamente habe bewirkt, dass «kein Mensch, der Führerqualität hatte, dauernd hineinging». Infolge der dominanten Bedeutung des geschulten Fachbeamtentums, das sich im Rahmen der «Legalen Herrschaft» in Deutschland durchgesetzt habe, spielten deutsche Berufspolitiker «eine ziemlich subalterne Honoratiorenrolle», ohne Macht und Verantwortung.
Durch den «gewaltigen Zusammenbruch» der Revolution in Deutschland sei jedoch die Chance einer Neuorganisation gegeben, für die es eine einfache Wahl gebe: «Führerdemokratie mit ‹Maschine› oder führerlose Demokratie, das heißt: die Herrschaft der ‹Berufspolitiker› ohne Beruf, ohne die inneren charismatischen Qualitäten, die eben zum Führer machen». Die große Gefahr einer «führerlosen Demokratie» sei es, dass «echtes Führertum» keine Stätte in den Parlamenten finde, wobei Weber als «einziges Ventil» für dieses «Bedürfnis nach Führertum» die Stellung des Reichspräsidenten sah, falls er plebiszitär, und nicht parlamentarisch, gewählt würde.
Im anschließenden Abschnitt befasste Weber sich mit den «persönlichen Vorbedingungen», den «Qualitäten» jener Menschen also, die sich der Politik zuwenden wollen und die durch ihre Teilnahme an der Macht nicht nur «Machtgefühl» erlangen, sondern auch der dadurch erlangten Verantwortung gerecht werden sollen. Der politisch Handelnde bedürfe dreier Qualitäten, «um seine Hand in die Speichen des Rades der Geschichte legen zu dürfen»: «Leidenschaft», «Verantwortungsgefühl» und «Augenmaß». Dabei betonte er, dass es auf deren Koexistenz ankomme, um die größte Untugend des Politikers, seine Eitelkeit, in Grenzen zu halten.
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