Max Weber (German Edition)
ehemaligen Heidelberger Burschenschaft Allemannia austreten sollte, muss mit dieser Münchner Gruppe sympathisiert haben, sonst hätte er deren Einladung nicht angenommen. Webers frei gehaltener Vortrag wurde mitstenographiert, die Veranstalter übergaben ihm die Niederschrift, die Endfassung der überarbeiteten Version ließ auf sich warten, erst im Sommer 1919 wurde sie publiziert, zusammen mit der Druckfassung seiner Rede über Politik als Beruf .
Webers Rede gliederte sich in zwei vermeintlich klar voneinander getrennte Abschnitte. Zuerst sprach er über die «äußeren Bedingungen» des Berufs als Wissenschaftler, um sich dann dem «inneren Berufe zur Wissenschaft» zu widmen. Im ersten Abschnitt verglich er das US-amerikanische mit dem deutschen Hochschulsystem. Dabei vertrat er die These, dass sich das deutsche Universitätsleben «amerikanisiert» habe – «wie unser Leben überhaupt» –, was sich bereits in der Medizin und den Naturwissenschaften bemerkbar mache. Zu den wichtigsten Unterschieden beider Systeme zählte Weber die Rekrutierung des wissenschaftlichen Nachwuchses: Der akademische Einstieg in Deutschland geschehe über die Rolle als unbezahlter Privatdozent, weswegen für den akademischen Neuling einerseits ein hohes finanzielles Risiko entstehe. Andererseits sei er nach Weber aber auch keinen zu hohen Erwartungen ausgesetzt. So werde ein Privatdozent in Deutschland kaum zentrale Vorlesungen seines Fachs abhalten müssen, besitze aber mehr Möglichkeiten, tatsächliche wissenschaftliche Forschungsarbeit zu betreiben. Das amerikanische Pendant zum Privatdozenten – der assistant – werde dagegen bereits beim Einstieg in das akademische Leben besoldet, müsse sich jedoch auch von Beginn an beweisen und sogar mehr leisten als die Professoren. Durch die Erwartung, möglichst viele erfolgreiche Vorlesungen abzuhalten, also viele Studenten in seine Veranstaltungen zu locken, würden seine Fähigkeiten als universitärer Lehrer früh getestet. Während der deutsche Privatdozent Zeit für wissenschaftliches Arbeiten besitze und sein Wissen ausbauen könne, bleibe dem amerikanischen assistant dafür kaum Zeit. Einen weiteren Unterschied zum deutschen System sah Weber darin, dass amerikanische Universitäten als «staatskapitalistische Unternehmungen» funktionierten, was einerseits eine größere Abhängigkeit des Dozenten von seinem Institut und andererseits eine größere Einmischung in die wissenschaftliche Arbeit des Dozenten mit sich bringe. Fähige Wissenschaftler, so Weber, sollen zugleich gute Gelehrte und gute Lehrer sein. Wie aber kann man erstens beides gleichermaßen erlernen, und wie lassen sich – zweitens – derartige Fähigkeiten messen, wenn sie über den beruflichen Erfolg entscheiden? Die Fähigkeiten als Gelehrter sind nur schwer greifbar. Sehr leicht messbar ist dagegen die Frequentierung seiner Veranstaltungen: Mache er «volle Häuser», so gelte der Dozent als guter Lehrer. Inwieweit jedoch der Dozent tatsächlich ausschlaggebend für den Erfolg einer Veranstaltung sei, bleibe ebenso ungewiss wie der qualitative Lehrerfolg der Studenten im Berufsverlauf.
Als zusätzliche äußere Rahmenbedingung der Akademikerlaufbahn herrscht überall – unabhängig von USA oder Deutschland – der Zufall. Die Berufung zum Professor geschieht durch kollektive Willensbildung innerhalb der jeweiligen Fakultät. Durch Kompromisse werden oftmals die wissenschaftlich besten Vertreter ausgesiebt und mittelmäßige Kandidaten bevorzugt. Trotzdem – so Weber – sei die Quote an qualifizierten und guten Akademikern hoch genug. Zu einer insgesamt defizitären Besetzung komme es erst dann, wenn dritte Kräfte, z.B. Parlamente, Monarchen oder Revolutionäre, in die innerwissenschaftliche Auslese eingreifen. In direkter Ansprache an seine Zuhörerschaft beendete Weber diesen Abschnitt über die «äußeren Bedingungen des Gelehrtenberufs», indem er fragte: «Glauben Sie, daß Sie es aushalten, daß Jahr um Jahr Mittelmäßigkeit nach Mittelmäßigkeit über Sie hinaussteigt, ohne innerlich zu verbittern und zu verderben? Dann bekommt man selbstverständlich jedesmal die Antwort: Natürlich, ich lebe nur meinem ‹Beruf›; – aber ich wenigstens habe es nur von sehr wenigen erlebt, daß sie das ohne inneren Schaden für sich aushielten.»
Nach dieser Beschreibung der Rahmenbedingungen wissenschaftlichen Arbeitens widmet sich Max Weber im zweiten Teil seiner Rede dem «inneren Berufe zur
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