Maximum Trouble
immer wieder gewisse Gemeinsamkeiten hatten und mir oft das Gefühl gaben, in der vierten Wiederholung eines Fernsehspiels zu agieren. Es ging hauptsächlich um Unterschlagungen, Versicherungsbetrügereien, um die Entlarvung von Schwarzarbeitern, das Verscheuchen von Spannern und die Beruhigung von alten Leuten mit Verfolgungswahn. Und natürlich immer wieder um den guten alten Ehebruch. Letztendlich lief alles auf ein relativ überschaubares Pandämonium menschlicher Schwächen hinaus. So wie es auf der ganzen Welt nur eine gewisse Anzahl von Gesichtszügen und Stimmlagen oder auch, wie in Milan Kunderas Schmöker Die Unsterblichkeit behandelt, Bewegungen und Gesten gibt, so steht auch nur eine gewisse Bandbreite von Macken und Motiven zur Verfügung, die zu kriminellen Handlungen führen.
Ich hatte große Lust, mal wieder richtig herausgefordert zu werden. Wenn ich gewußt hätte, wie bald und heftig sich dieser Wunsch erfüllen sollte, hätte ich das Türklingeln wahrscheinlich ignoriert.
Der Mann, der mein Büro betrat, war Ende Vierzig, Anfang Fünfzig, ein bißchen übergewichtig und hatte eine von diesen Nasen, von denen man nicht den Blick abwenden kann. Sie war groß und zerfurcht und geädert und ließ auf einen gewissen Alkoholkonsum schließen. Auch der Rest des Gesichts war zerfurcht. Der Mann hatte kurzgeschnittenes Haar und buschige Augenbrauen, und wenn er eine Baseballkappe getragen hätte, dann hätte es sich ohne Zweifel um Walter Matthau handeln müssen. Aber er trug keine Baseballkappe, und die dunkelblauen Hosenbeine, die unter seinem beigen Trenchcoat herausschauten, hörten auch nicht wie bei Walter Matthau hoch über den Knöcheln auf, sondern reichten so weit, daß ihre Ränder sich über den Schuhen aufstauchten. Und sein singender Akzent war nicht typisch New York, sondern typisch Kölsch.
»Mein Name ist Steffens«, sagte er, »Sie sind mir von einem juten Bekannten bei der Securitas empfohlen worden. Er hat mir jesacht, daß Sie clever sind.«
»Nehmen Sie doch Platz, Herr Steffens.«
Für die Securitas hatte ich mal einen ziemlich dreisten Fall von Versicherungsbetrug bearbeitet und durch die schnelle Aufklärung und vor allem die Wiederbeschaffung einer nicht unbeträchtlichen Summe die steinernen Herzen des Vorstands gewonnen. Ich hoffte, daß es diesmal nichts mit Versicherungen zu tun hatte.
»Es jeht um einen juten Freund von mir, der plötzlich verschwunden ist«, sagte Steffens, »ich möchte, daß Sie ihn wiederfinden, Herr Reinartz.«
»Wer ist denn dieser Freund, und wann ist er verschwunden?«
Steffens beugte sich nach vorn und sprach leise und aufgeregt, als fürchte er, es könne jemand mithören.
»Datt is foljendermaßen. Es jeht um meinen Freund Erwin Wachsmuth. Erwin und ich kennen uns jetzt schon über zehn Jahre. Er ist sozusagen mein bester Freund. Oder auch ne Art Sohn, wenn Sie so wollen. Jedenfalls, wir treffen, oder trafen uns immer zwei-, dreimal in der Woche im >Päffgen<. Aber am letzten Mittwoch ist der Erwin nicht wie verabredet jekommen. Ich hab en halbe Stund jewartet, und dann hab ich mir den Schweizer Wurstsalat bestellt. Datt weiß ich noch so jenau, weil der Erwin nie Schweizer Wurstsalat ißt. Der Erwin sacht immer, ich kann alles essen, nur Schweizer Wurstsalat, datt mach ich einfach nitt, da kannse mich mit jagen.«
Er zögerte. Ich sah ihn fragend an. So sind sie, die Rheinländer. Wenn sie einmal anfangen zu reden, verlieren sie sofort den Faden.
»Wo war ich stehenjeblieben?«
»Im >Päffgen<.«
»Jenau. Jedenfalls, wer nitt kam, datt war der Erwin.«
»Und wie ging’s dann weiter?«
»Na, ich hab dann noch zwei Kölsch jetrunken, und dann bin ich in mein Jeschäft und hab ihn zu Hause anjerufen. Nix. War nitt da. So jing datt ne janze Woche. Kein Lebenszeichen von Erwin. Ich bin auch rausjefahren nach Rodenkirchen zu ihm. Nix. Dann bin ich zur Polizei.«
»Gleich zur Polizei? Hat er denn sonst keine Angehörigen oder Freunde, oder eine Freundin, die Sie hätten fragen können?«
»Nee. Der Erwin is n Einzeljänger. Anjehörije hat er nit mehr, seine Eltern sind beide verunglückt, tödlisch verunglückt, als der Erwin vierzehn war.«
»Und was hat die Polizei herausgefunden?«
»Die haben schon watt herausjefunden. Ich sollte vielleicht noch erwähnen, datt der Erwin ziemlich viel Jeld hat. Deshalb haben die sich auch sehr viel Mühe jejeben.«
»Mühe allein reicht nicht«, sagte ich. »Talent muß man haben.«
»Da sagen
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