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Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Allan
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dieser Stein stammt«, befahl Gebrochene Faust.
    »Ja, Schamane«, erwiderte Karibu.
    Das Grüne Tal
    Der Sturm war vorübergezogen, hatte die ganze Nacht über getobt, und nun, da Geist das zitternde, zu Tode verängstigte Mädchen aus dem Geisterhaus hinausführte, das ihr Heim geworden war, schimmerten die Sterne an dem wieder klaren Himmel.
    Fast graute der Morgen. Ein schwacher Lichtschein zeigte sich am Klippenrand, hinter dem bald, wie sie vermutete, die Sonne wieder aufgehen würde. Aber nicht für Maya. Für sie gab es nur die Finsternis, die leere trübe Ödnis der Grube. Kein Licht dort. Sie hatte kein Licht, denn das hatte sie selbst fortgegeben.
    »Komm, Maya, Beeilung!« drängte Geist sie. Er zerrte an ihrer Schulter.
    Unbehagen war über ihn gekommen, als er Zau bers leblosen Körper in die Totenfelle eingenäht und für den Scheiterhaufen zurechtgemacht hatte. Alte Beere hatte ihm geholfen, ihr zerfurchtes Gesicht tränennaß, obwohl sie nicht laut geschluchzt hatte. Geist wußte, daß sie trauerte - er wußte, wie nah die beiden Alten einander gewesen waren, wußte es besser als die meisten, hatte er sie doch jahrelang mit krankhafter Eifersucht beobachtet.
    Doch selbst Alte Beere akzeptierte den Wechsel. Der Tod war kein Fremder für das Volk - der Kampf gegen den Tod war eins der elementarsten Dinge ihres Lebens, ein Kampf, den sie am Ende immer verloren.
    »Bist du traurig, Beere?« hatte er gefragt, als sie damit fertig gewesen waren, Zaubers Totenfell zu ordnen.
    Sie hatte etwas Unverständliches gegrunzt, aber genickt. Er hatte über den Leichnam hinweg zu ihr hinübergeschielt, hatte bemerkt, wie ihr Blick von seinem Gesicht abglitt. »Ich bin jetzt der Schamane«, hatte er sie sanft gemahnt. Das war eine Herausforderung, und sie wußten es beide.
    Kurzfristig hatten ihre Augen wieder geleuchtet, und sie hatte seinen Blick voll erwidert. Doch dann war es, als könne sie den Ausdruck auf seinem Gesicht nicht ertragen, und hatte wieder den Blick gesenkt.
    Dann sprach sie ihre einzigen Worte in jener langen Nacht: »Ja, Geist. Du bist der Schamane.«
    Mit diesem Einverständnis sah Geist die letzte Hürde überwunden, den letzten Feind besiegt. Und aus der Befriedigung ob dieses Sieges wurde ein merkwürdiges Gefühl geboren: Mitleid für die Besiegten.
    Er konnte es sich leisten. Wer würde sich ihm jetzt noch entgegenstellen?
    Beere offensichtlich nicht, und Maya ganz gewiß nicht, ganz gleich, welche Pläne Alter Zauber für sie gesponnen haben mochte. Tatsächlich würde er rasch und bedacht handeln müssen, um Speer - und möglicherweise sogar Haut, ihren leiblichen Vater - davon abzuhalten, Maya, die sie für einen bösen, bedrohlichen Geist hielten, glattweg zu ermorden.
    Mit Speer wird es keine Schwierigkeiten geben, entschied er, nicht einmal mit Haut. Bleibt noch Wolf, Mayas Bruder, dachte Geist. Er wußte, daß Wolf immer noch zärtliche Gefühle für Maya hegte, doch im Laufe der Jahre war Wolf vom Jungen zum Mann geworden und hatte sich ihr mehr und mehr entfremdet. Wolf mochte ein Problem werden, jedoch nicht Mayas wegen. Nicht, wenn Geist vorsichtig vorgehen würde, und das war seine Absicht. Waren nicht Sorgfalt und Voraussicht das gewesen, was sein bisheriges Leben bestimmt hatte? Nein, eine schreckliche Rache auf Maya herabzubeschwören, könnte Wolf gegen ihn aufbringen, und im Augenblick wollte Geist nicht, daß irgend etwas einen Schatten auf die glorreichen Visionen warf, die er wahrzunehmen beabsichtigte.
    Ohnedies war Maya bereits vollständig geschlagen. Nachdem Alter Zauber nun tot war, erkannte Geist, daß all ihre Macht durch den Schamanen begründet gewesen war. Ohne ihn war sie ein Nichts, mit Gewißheit indes keine Bedrohung. Ja, er konnte es sich leisten, großherzig zu sein.
    Am besten war es allerdings, daß sie begriff, wie grundlegend ihre Welt sich verändert hatte. Er erinnerte sich an die Rundung ihrer Brüste, die nun unter dem sackartigen, durch näßten Überwurf verborgen waren, den sie trug. Sein Atem ging schneller.
    »Jetzt bist du meine Frau, Maya. Verstehst du das? Du gehörst mir.«
    Sie hatte den Blick nicht gehoben. Vielleicht war ein leiser Laut über ihre Lippen gedrungen, die blau vor Kälte waren und im heller werdenden Licht des Morgens bebten. Vielleicht auch nicht.
    »Was hast du gesagt?« fragte er nach und zerrte fest genug an ihrer Schulter, daß sie ein wenig ins Straucheln geriet.
    »Ja, Geist«, erwiderte sie, deutlich hörbar

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