Maya und der Mammutstein
Vorhang ganz zu, und Alter Zauber trat ein in die empfangsbereite Dunkelheit. Irgendwo vor ihm in der Ferne, winzig, aber größer werdend, sah er ein Licht. Er bewegte sich darauf zu, und seine Sorgen fielen von ihm ab. Alles fiel von ihm ab, als er sich auf das Licht zubewegte.
Sie hörte seinen Todesschrei, obwohl sie selbst von tödlichem Entsetzen gelähmt war. Die Dunkelheit öffnete ihren Rachen vor ihr, doch ihr erschien sie weder freundlich noch gastlich. Sie war nun leer, die Dunkelheit der Grube, die sie sich selbst gegraben hatte.
Als Maya endlich aus ihren Tiefen entlassen wurde, starrte sie auf den alten Mann, der dort lag, der mit dem Gesicht in den kalten, leeren Ring seines erloschenen Feuers gesunken war.
Der Klang des letzten Wortes, das er gesprochen hatte, dröhnte ihr noch in den Ohren, so laut wie der Donner, der draußen polterte.
Ihr Name. Ihr Name und sonst nichts.
Langsam hob sie die Hand an den Mund und fühlte, wie ihre Lippen in kaltem Entsetzen bebten. »Z-z-zauber...?«
Doch natürlich antwortete er nicht.
Dann: »Oh - Mutter!«
Doch auch sie gab keine Antwort. Wie könnte Sie auch? fragte sich Maya mit neuem, noch größerem Entsetzen. Ich habe Sie ja weggegeben, nicht wahr?
Auch darauf erhielt sie keine Antwort. Sie schloß die Augen und wartete, sich sachte hin und her wiegend, auf Geists Rückkehr.
Flußlager des Bisonvolks
Gebrochene Faust drehte und wendete den Gegenstand in seinen Händen.
Das kleine Schnitzwerk wirkte unbedeutend und nichtig, als es von den verstümmelten Überresten von Fausts Fingern umklammert wurde. Seine kalten, leeren Augen musterten das Ding nachdenklich; von dem er spürte, daß es einen Wendepunkt ihres Schicksals besiegeln würde.
Karibu sah ihn durch das qualmende Feuer im Inneren seines Zeltes an.
Die Lüftungsklappe im Dach war festgebunden worden, um den Regen abzuhalten, doch auch so fanden noch ein paar vereinzelte Tropfen ihren Weg ins Zelt, um dann zischend und knisternd in dem kleinen Feuer zu verdampfen, über das hinweg Karibu und Faust einander beäugten.
»Ist das eine magische Figur?« fragte Karibu leise. Er hatte einen Stich im Herzen verspürt, als er dem Schamanen den Stein gereicht hatte, fast so, als wünsche der Stein nicht, seine Obhut zu verlassen. Doch falls der Stein magisch war, gehörte er in Fausts Hände, denn nur der Schamane war fähig, ihn zu verstehen - und die Gefahr zu erkennen, die er vielleicht bedeutete. So hatte Karibu also nicht gezögert, den Stein abzugeben, selbst an jemanden, den er für seinen Feind hielt, wußte er doch, daß das Wohl des ganzen Stammes auf dem Spiel stand.
Gebrochene Faust sah über des Feuer hinweg zu ihm hinüber; seine Augen blickten wachsam, funkelnd und gefährlich. »Ja, es ist ein magischer Stein. Ich kann die Magie in ihm spüren. Schwach zwar, aber...« Und immer noch war sein Blick auf Karibu gerichtet, als fordere er ihn heraus, irgend etwas zu äußern.
In gewisser Weise tat er das auch. Faust verstand sich auf Magie und, was noch wichtiger war, auf Symbole der Magie und auf die Macht dieser Symbole. Dieses winzige Schnitzwerk war ein Symbol, und es war auf andere Weise gefährlich, als es die Macht des Gotts der Schlangen war.
Es war fremde Magie, und Faust entging nicht, daß auch Karibu dies spürte. Aber was genau dachte der gewaltige Jäger über das, was er da gefunden hatte? Daß es ein Werkzeug war? Eine Waffe, womöglich gegen Faust selbst?
Doch Gebrochene Faust wußte, daß Karibu ihm nicht gefährlich werden konnte, solange er, der Schamane, mit dem Geist der Lüfte eins war. Das hatte er bewiesen, als er Karibu gezwungen hatte, das Herz seiner eigenen Schwester zu verzehren. Die Benommenheit, mit der Karibu danach umhergewandelt war, war ihm ebensowenig entgangen wie die Tatsache, daß er jetzt wieder an Stärke gewonnen hatte. Als gebrochener Mann hatte sich Karibu zur Jagd aufgemacht - war nun gekräftigt wieder zurückgekehrt -, als sei das Opfer, das ihn hatte vernichten sollen, gar nicht gebracht worden.
War es diese Schnitzfigur, dieses Symbol der fremden, unbekannten Magie, die ihn mit neuer Hoffnung erfüllt hatte? Wenn auch nur durch seine bloße Existenz, die ihn daran gemahnte, daß es da draußen noch andere Kräfte gab, andere Zauber, die vielleicht sogar stärker waren als die des Geistes der Lüfte? Diese Gedanken waren es, die Faust beschäftigten, während Karibu den Blick unablässig auf den Stein gerichtet hielt.
»Ich habe
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