Maya und der Mammutstein
Winters widerfahren, solange Alter Zauber gelebt und seine Magie gewirkt hatte. Die Geister waren ihnen damals freundlich gesonnen. Erst nach dem Tod des alten Schamanen und dem Nachrücken des jüngeren Mannes, der ihm nun mit eingefallenen Wangen und fiebernden Augen gegenüber saß, hatte all das Unheil begonnen.
Doch wer war er, daß er das mit Sicherheit behaupten konnte. Und Geist hatte mit seinen Anschuldigungen in einer Hinsicht vollkommen recht: Er, Speer, hatte Maya nicht aufgehalten, weil sie ihn mit Furcht erfü llt hatte, wie sie blutend und halb ohnmächtig durch das Lager gestolpert war.
Er dachte noch angestrengter nach. Vielleicht sollte er Geist ermorden, doch dann stünde das Volk ohne Schamanen da. Der dumme Junge, den Geist als Schüler angenommen hatte, war nicht bereit, seinen Platz einzunehmen. Doch falls der Schamane wirklich die Quelle all ihres Elends war, dann wäre es vielleicht besser, gar keinen Schamanen zu haben, als in ihrer jetzigen Not zu verharren.
Ja, das war eine ansprechende Vorstellung: einfach seinen Speer in Geists Körper stoßen, dann die noch Lebenden sammeln und sie aus diesem von Dämonen heimgesuchten Tal zu führen.
Doch was war, wenn er sich irrte? Dann würde er die Überlebenden in den Tod führen.
Er schwankte und zauderte. Und so entschloß er sich, noch abzuwarten, ein allerletztes Mal die Macht ihres Zauberers auf die Probe zu stellen.
Schließlich würde sein Speer nicht in ein paar Tagen stumpf werden.
»Was soll ich tun?« fragte er schließlich.
Geist nickte, als habe er keine andere Antwort erwartet, obwohl sich sein wild klopfendes Herz gerade erst wieder zu beruhigen begann. »Nimm dir ein paar Männer und finde das Lager der anderen. Wenn sie die Teufelsfrau haben, muß ich es wissen.«
Speer warf Wolf einen flüchtigen Blick zu, der nur mit den Schultern zuckte. Mayas Bild verschwamm in seiner Erinnerung. Er glaubte zu spüren, daß sie nicht tot war, doch mit derselben Gewißheit wußte er, daß sie fort war. Vielleicht für immer.
»Ja«, meinte Speer. »Das werden wir tun.«
Und so säten die beiden Schamanen, die voneinander nichts wußten, den Samen des Krieges in die Welt. Dies und noch etwas hatten sie gemeinsam: ihre Träume, die voll von Feuer waren, von Feuer und der Schlange, die in ihm wohnte.
Die Schlange, deren Augen in roter Gier glühten im Dunkel der Nächte.
Über dem Grünen Tal: 17982 v. Chr.
Karibu kroch zum Rand des Klippenüberhangs und schaute nach unten.
Die Männer hinter ihm lagen genauso zusammengekauert da wie bei ihrem ersten Erkundungsgang. Über ihnen strahlte der Himmel in einem ungetrübten Blau, und die Sonne brannte heiß. Karibu duckte seinen Kopf tief hinunter und hoffte, daß er für mögliche Beobachter mit dem gezackten Fels rand verschmelzen würde. Dann sah er, daß er sich keine Sorgen hätte machen müssen.
Niemand dort unten blickte zum Himmel empor. Die wenigen, die matt über die Wege des Lagers trotteten, hielten ihre Häupter gesenkt. Er sah drei Frauen, die an den Ufern des Ersten Sees Körbe schleppten, wo er beim erstenmal zwanzig gesehen hatte. Die Frauen bewegten sich schleppend und traumwandlerisch.
Er warf einen Blick zum Mysterienhaus der Männer hinüber. Zwei Männer saßen dort auf einem Baumstumpf. Sie wirkten wie verlassene Vögel, die auf kahlen Ästen eines abgestorbenen Baumes hockten. Einer der Männer schürte ein Feuer, das nur ein Viertel der großen Herdstelle einnahm, in der es brannte.
Irgend etwas Gräßliches war mit diesem fremden Volk geschehen. War es das, was Gebrochene Faust gemeint hatte?
KAPITEL ACHTZEHN
Über dem Grünen Tal: 17982 v. Chr.
Karibu zog sich vorsichtig zurück und flüsterte Ratte leise zu: »Sieh's dir selbst an.«
Der Kleinere schlich nun zum Klippenrand und spähte nach unten. Fast fünf Minuten lang blieb er so liegen, dann nickte er vor sich hin und kam wieder zurück. »Wo sind sie hingegangen?« fragte er.
Karibu runzelte die Stirn. »Gegangen? Ich glaube nicht, daß sie irgendwo hingegangen sind. Hast du nicht all die Stellen gesehen, wo große Feuer niedergebrannt worden sind?«
Ratte nickte und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Das Volk der Bisons kannte sich gut mit Gruben aus. »Tot?«
Karibu nickte. »Ich denke schon.«
Ratte schüttelte den Kopf. »So viele? Was kann ihnen zugestoßen sein?«
Der Häuptling zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht. Vielleicht weiß Faust es. Er hat uns schließlich
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