Maya und der Mammutstein
einziges Scheitern bleiben.
Eigentlich, dachte er, während er über den Ersten See blickte, habe ich Glück gehabt, daß ich überhaupt einen von ihnen retten konnte. War das alles Teil des großen Geheimnisses?
Doch dessen Macht war vernichtet. Er hob einen Kieselstein auf und schleuderte ihn weit aufs Wasser hinaus, wo er in einem Kreis sich ausbreitender Ringe versank. Das Geheimnis war fort, zerbrochen, seine Teile zerstreut in den Flüssen, den Winden, den... wo immer auch Maya hingegangen war.
Zweifellos tot, tröstete er sich. Sie hatte fürchterliche Verletzungen davongetragen. Er wußte es, hatte sie ihr zugefügt, hatte sie mit kaltem Frohlocken geschlagen, während er sie wie der und immer wieder vergewaltigt hatte, hatte ihren Arm zerschmettert, den sie in schwachem Protest erhoben hatte, um ihr Gesicht zu schützen, hatte ihr die Zähne ausgebrochen und ihr Gesicht entstellt, und in all der Zeit war er sich seines Tuns bewußt gewesen, und er hatte gelächelt.
Er hätte sie damals töten sollen, das wußte er jetzt, doch er hatte seinen Sieg noch länger auskosten wollen. Immer wieder derselbe Fehler.
Nein, natürlich war sie tot. Er umklammerte seine Knie, wiegte sich vor und zurück und sagte sich immer und immer wieder, daß sie tot sei, natürlich, ja, und das Geheimnis fort, und alles war gut, gut.
Er wiegte sich schneller und schneller, wiederholte seine Worte ein ums andere Mal, bis seine Augen Schlitze waren und seine Zähne stumm aufeinandermahlten, und er schließlich fast vornüber kippte.
Der Anfall verging genauso schnell, wie er gekommen war. Dann saß Geist völlig reglos da, spürte, wie der Schweiß ihm den Rücken hinunterrann, und schmeckte den salzigen Geschmack seines eigenen Blutes.
Schließlich seufzte er und erhob sich. Vielleicht gab es noch eine Möglichkeit. Wenn er schnell zugriff und überzeugend wäre. Er würde sich gegen Speer durchsetzen müssen, doch das traute er sich nicht zu.
Speer und Wolf. Aus irgendeinem Grund hatten die Geister ihn alleingelassen.
Endlich gestand er sich die Wahrheit ein, die er geleugnet hatte, seit Maya zerschlagen und zerschunden aus dem Lager in die Finsternis getaumelt war.
Siedieerhaßte lebte noch.
Während des Winters, in der Zeitspanne zwischen Mayas Verschwinden und dem Jetzt, dem Frühling, in dem es überall um ihn herum sproß und blühte, hatten ganze drei Viertel der Menschen vom Mammutvolk - zuerst die ganz alten und ganz jungen, dann allmählich auch die kräftigsten Erwachsenen - ihr Leben in blutigen Schleimklumpen ausgewürgt.
Siedieerhaßte lebte noch, und ihre Rache war furchtbar. Er fragte sich, ob ihm noch genug Zeit bleiben würde.
»Die bösen Geister kommen von den anderen«, hatte Geist gesagt. Er hielt seine Stimme beherrscht und leise. Er saß im Innern des Geisterhauses, alle Totems seiner Macht und Amtswürde um sich geschart. Speer und Wolf hockten ihm gegenüber. Speers dunkle Augen waren ausdruckslos und feindselig. Wolf nickte nur mit regloser Miene.
»Sie haben Maya und ihren Dämon mit sich genommen. Nun richten sie ihre Magie gegen uns.« Er schlug die Augen auf, um Speer wütend anzufunkeln. »Du hast sie entkommen lassen, Speer. Jetzt siehst du, was du uns damit angetan hast.«
Ein uralter Trick, die Schuld auf jemand anderen zu schieben, doch Geist blieb keine andere Wahl, als es zu versuchen.
Der Angriff erschütterte den alten Jäger. »Ich wußte schließlich nicht, was geschehen war und geschehen würde. Wie kannst du mich dafür verantwortlich machen?«
»Du hattest Angst vor ihr. Darum hast du keinen Versuch unternommen, sie aufzuhalten. Wenn du damals nur...« Geist schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf. »Nichts von all dem wäre passiert. Doch ich verzeihe dir, Speer. Und ich gebe dir eine Chance, deinen Fehler wiedergutzumachen.«
Speer nagte an seiner Unterlippe, während er die Worte des Schamanen auf sich wirken ließ. Er hatte sowohl seine Frauen als auch alle seine Kinder verloren. Er war allein, und er hatte Angst. Er hatte sich seine eigene Deutung der Geschehnisse zurechtgelegt. Geist mochte ja toben und wüten und behaupten, daß das Verschwinden des Mädchens der Anfang allen Schreckens gewesen sei. Doch Speer entsann sich, daß damals noch ein anderes Ereignis eine Wende im Leben des Volkes bezeichnet hatte.
Ja, Maya war von ihnen gegangen, aber zuvor auch Alter Zauber. Speer hielt dies nicht für belanglos. Nie war ihnen Unheil wie das des vergangenen
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