Maya und der Mammutstein
uns zurückbringt. Wolf zuckte die Schultern. »Sie ist meine Schwester.« Speer nickte. Das war ein Grund, den er zumindest verstehen, wenn auch nicht eben gutheißen konnte. Geists Besessenheit dagegen konnte er sich nicht erklären und noch weniger gutheißen.
Er ließ jedoch nichts von diesen Überlegungen laut werden. Wolf war ein mächtiger Jäger. Speer mochte ihn gerne. Er hoffte, daß ihre unter einem schlechten Stern stehende Mission keine Feinde aus ihnen machen würde.
Also knurrte er nur und sagte: »Dann laß uns gehen. Je schneller wir es hinter uns bringen, desto besser.«
Wolf nickte und richtete sich auf. Nach zehn Minuten zogen die drei Männer flußabwärts, hielten sich so dicht wie möglich am Fuße der hohen Uferböschung, um nicht gesehen zu werden. Sie ließen nichts zurück, das ihre Lagerstätte hätte verraten können.
Kurz nachdem die drei Jäger aufgebrochen waren, hockte Schlange da, wo sie geschlafen hatten, und leckte versonnen einen schwarzen Steinsplitter ab. »Hier haben sie geschlafen«, erklärte er.
Karibu nickte. Er war mit seinen Männern in sicherem Abstand hinter den anderen zurückgeblieben. Er hatte gewußt, daß Schlange deren Nachtlager leicht würde wittern können. Nun, da er die Gegend einer genaueren Prüfung unterzog, stellte er fest, was für Mühen sie unternommen hatten, um ihre Anwesenheit zu verbergen.
Zweifellos waren sie Kundschafter. Oder waren sie... vielleicht etwas Schlimmeres?
»Wir werden uns oben halten«, teilte er Ratte mit, der nickte.
»Sie werden unten am Fluß Deckung suchen«, erwiderte er. »Sie wollen nicht bemerkt werden.«
Karibu nahm seinen Speer in die Hand. »Wir werden sie aufspüren«
antwortete er. Einige Zeit später machten sie sich auf den Weg, in der Hitze der immer höher steigenden Sonne schwitzend.
»Was willst du mit ihnen machen, wenn wir sie gefunden haben?« wollte Ratte wissen.
»Vielleicht töten«, gab Karibu zur Antwort. »Vielleicht auch nicht.«
Ratte nickte. Der Geist der Lüfte war allzeit hungrig. Und er wäre wohl auch nicht abgeneigt, seinen Appetit mit dem Fleisch Fremder zu stillen.
Über dem Flußlager des Bisonvolks
Speer schob sich auf dem Bauch liegend zu der dürftigen Deckung vor, die ein niedriges Gebüsch bot. Er lugte über den Rand, um dann Wolf und Stein zu sich zu winken.
»Ich sehe das Mädchen nicht«, wisperte er.
Reglos blieb er eine Weile liegen, bis er begriff, daß irgend etwas nicht stimmte. Er hob den Kopf, alarmiert durch die Plötzliche Stille. Er wandte sich um und sah Wolf. Der junge Jäger lag ausgestreckt auf dem Rücken, Rattes Speer an der Kehle. Dann schmetterte ihm, Speer, der größte Mann, den er je gesehen hatte, das stumpfe Ende seiner Jagdwaffe gegen die Stirn, und er sah gar nichts mehr.
Flußlager des Bisonvolks
Gebrochene Faust trat vor Speer und lächelte. Speer hing an einem Pfahl, der neben der kalten Feuergrube in den Boden gerammt war, an Armen und Beinen mit Lederriemen, die tief in sein Fleisch schnitten, hinter seinem Rücken festgebunden. Er war nackt und zitterte in der kühlen Nachmittagsbrise. Ein Pfad getrockneten Bluts verlief von seinem verfilzten grauen Haar bis zu seinem Bart. Seine Blicke schössen wild hin und her, doch er schwieg. Seit zwei Tagen hing er bereits so.
»Warum seid ihr zu unserem Lager gekommen?« wiederholte Faust mit sanfter Stimme. Er wandte sich um und warf Maya einen flüchtigen Blick zu, die an Karibus Seite stand und das Geschehen unsicheren Blickes verfolgte. »Los« befahl Faust. »Frag ihn.«
»Warum bist du zum Lager des Bisonvolkes gekommen?« fragte Maya folgsam.
Speer rührte sich. Er hob den Kopf. Seine Lippen arbeiteten, und dann spuckte er Maya einen dicken, glänzenden Speichelklumpen ins Gesicht.
»Dämon!« knurrte er. »Tier! Mörderin!« »Was hat er gesagt?« fragte Faust. »Er hat mich einen Dämon genannt, ein Tier.« »Oh.« Faust wandte sich erneut dem Jäger zu. Verschlagen musterte er ihn. Dann ließ er die scharfe Klinge niedersausen, die er in der Hand hielt, die ihm den Dienst nicht versagte. Wie durch Zauberei erschien eine dünne rote Linie auf der mit drahtigem Haar bedeckten Brust des Gefesselten. Speer bog den Rücken durch, schrie jedoch nicht. Die Wunde selbst war nicht mehr zu sehen, als das Blut über seine Haut rann.
Stein und Wolf, die auf ähnliche Weise gefesselt waren wie Speer, verfolgten die Szene aus kurze r Entfernung. Stein sah immer wieder unbehaglich in die Tiefe
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