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Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Allan
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Herausforderung. Er bemerkte, daß Geist den Schamanenstaat angelegt hatte, obwohl er den Status des Weisen Mannes eigentlich noch nicht erreicht hatte. Er spürte, wie eine Warnung durch seine müden Knochen rann - dies war das erste Scharmützel von etwas, was eine lange und erbitterte Schlacht werden würde. Er nickte Geist, der dem Augenblick eine ähnlich hohe Bedeutung beizumessen schien, mit zeremonieller Würde zu.
    Er kann es nicht erwarten, Schamane zu werden, dachte Alter Zauber. Er ist noch nicht einmal willens, sich zu gedulden, bis ich tot bin.
    In diesem Moment kam ihm all sein uraltes Wissen zu Hilfe - diese erste Herausforderung durch seinen Lehrling flößte ihm nicht die geringste Angst ein -, doch das Volk selbst war, ohne es zu wissen, an einem schicksalsträchtigen Scheideweg seiner Geschichte angelangt. Aus den grünen Tiefen des neuen Tals brachte Alter Zauber Neuigkeiten von immenser Tragweite für das Volk mit, und eine Machtprobe mit Geist konnte da eine zwar belanglose, aber nichtsdestotrotz lästige Ablenkung sein.
    Magie ist nicht das einzige, was einen Schamanen ausmacht, mein Junge, dachte er grimmig. Wie du schon bald lernen wirst.
    Und nun zu Wichtigerem, ermahnte er sich. Er machte einen Schritt vor und trat zwischen Geist in seinem festlichen Gewand und Alte Beere, die besorgter aussah, als er sie jemals erlebt hatte.
    »Was ist das für eine Geschichte mit diesem Dämon?« verlangte er zu wissen.
    Geist spürte, daß die Versammelten ihre Aufmerksamkeit von ihm abwandten und auf den alten Schamanen richteten. Unwillig beschloß er, ihnen zu beweisen, daß seine Macht nicht geringer war als die des anderen Mannes. »Ein Dämon, o Schamane. Gekommen, um Tod und Verderben über das Volk zu bringen. Baum hat er bereits getötet. Aber niemand muß sich fürchten. Ich habe dem Volk gelobt, den Dämon zu vernichten.« Langsam hob er seine Rechte empor und schwang den Speer über dem kleinen Bündel, das er hielt.
    Alter Zauber warf Beere einen Blick zu, deren schwarze Augen ihm eine verschlüsselte, eindringliche Botschaft sandten. Geist verstand die stumme Zwiesprache nicht und runzelte die Stirn, doch Beere ignorierte ihn einfach.
    »Geist hat das Mädchen«, sagte sie sanft.
    »So ist das«, meinte Alter Zauber, wobei er sich bedächtig umwandte.
    »Zeig es mir.«
    Einen Moment lang versteifte sich Geist, als widerstrebe es ihm, Altem Zaubers Befehl nachzukommen, doch da er sich mit der ungebrochenen Autorität des Schamanen vor seinem gesamten Volk konfrontiert sah, faßte er schließlich den Entschluß, daß dies noch nicht die Zeit sei, ihn herauszufordern. Jedenfalls nicht vor den Augen andere r.
    Ohne ein Wort, das Gesicht gezeichnet von mühsam unterdrückter Wut, hielt er ihm das Bündel entgegen. Alter Zauber ergriff den Säugling mit beiden Händen und sah auf ihn hinunter.
    Und wie sein Herz erbebte!
    Was er sah, war schlimmer, als er sich hätte vorzustellen vermögen.
    Warum geschieht dies nun, wo ich so alt bin l Doch die Große Mutter gab keine Antwort auf seine stumme Frage - was ihn nicht erstaunte. Sie schien nie direkte Antworten auf einfach Fragen zu geben. Dann lachte er insgeheim. Natürlich tat sie das nicht - täte sie es, würde das Volk keine Schamanen brauchen.
    Langsam, nur um sicherzustellen, daß seine schlechten Augen ihm keinen Streich spielten, beugte er sein runzeliges Antlitz hinab, ganz nah an das winzige Gesichtchen unter sich. Das kleine Mädchen lächelte ihn vage an.
    Seine Schreie waren in dem Augenblick verstummt, als Geist es dem alten Schama nen überreicht hatte. Nun lag ein sonniger, süßer Ausdruck auf dem kleinen Gesicht, mit den Augen, deren Färbung so eigenartig war. Kein Wunder, daß Geist das Kind für einen bösen Geist hält, dachte Alter Zauber bei sich.
    Es war das Zeichen. Er fühlte, wie er zu zittern begann, als ihm das volle Ausmaß des Geheimnisses bewußt wurde. Er hatte nie erwartet, sich diesem Geheimnis tatsächlich gegenüberzusehen. Es ängstigte ihn. Die Verantwortung war entsetzlich, und er stand im Winter seiner Jahre.
    Würde ihm noch Zeit bleiben?
    Er erkannte das Problem ganz deutlich. Und Geist, so schien es, war ein wesentlicher Bestandteil des Problems.
    Er würde das Geheimnis noch ein wenig länger bewahren müssen. Vor ihm - er schielte zu Geist hinüber, der ihn beäugte wie die schwarzen Vögel, die sich auf die Überreste der Jagd stürzten, gräßlich und hungrig -
    und vor ihr und vor dem Volk

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