Maya und der Mammutstein
überprüfte sorgsam die Windrichtung und warf einen zufriedenen Blick zurück zu den anderen Jägern.
Es hatte sie fast eine Stunde gekostet, sich bis zu diesem Punkt anzuschleichen. Es war nicht so, daß Speer diese Jagdgründe nicht kennen würde. Zu ihrer Linken, nicht mehr als eine Meile entfernt, floß ein Strom. Tausende von Jahren später würde dieser Fluß in einen großen See münden und an dieser Stelle breit und kräftig einherströmen. Nun jedoch war der Strom, den man eines Tages Ohio nennen würde, nichts als ein kleines Flüßchen, ein bißchen breiter als das, welches aus dem Grünen Tal in ihn mündete. Speer war bereits am Vortag hierhergekommen, um am Zusammenfluß der Wasser nach Wild spuren zu suchen. Die großen Tiere, die sie jagten - Bison, Karibu, Mammut -, kamen nicht mehr ins eigentliche Tal. Die Anwesenheit der Menschen im Tal hatte sie verscheucht. Doch hierher, wo die beiden Wasserläufe zusammenflössen, wo die Gewalt des Wasser einen engen, tiefen Canon in die Erde gegra -
ben hatte, zu dem nur ein einziger schmaler Weg hinunterführte, hierher kamen die großen Tiere immer noch.
Es war an der Zeit, wieder an eine Jagd zu denken. Vor fast drei Monaten schon hatten die Mammutmütter ihre Kälber geworfen. Nun würden die Jungen kräftig genug sein, um ihnen zu folgen, und die Mammuts würden sich allmählich wieder in Bewegung setzen. Später dann mochten sich kleinere Grüppchen von ihnen zusammenfinden, und mit ein bißchen Glück und Geschick beim Fährtenlesen konnte Speer es schaffen, sie auf diesen Punkt zu und in ihr Verderben zu treiben.
Die Reise vom Lager zum Mündungsgebiet des Flüßchens hatte den Großteil eines Nachmittags in Anspruch genommen. Bei ihrer Ankunft hatte Speer seine Anführerrolle an Haut übergeben, der immer noch der Beste unter den Fährtenlesern war. Sie verfolgten die Spuren den engen, gewundenen Pfad bis zum Flußufer hinab, und Haut hockte sich in den dortigen Schlamm. Nach einer Weile sah er auf. Seine Miene sah überaus besorgt aus.
»Speer«, sagte er, und seine Stimme klang, als könne er es einfach nicht glauben. »Komm her und sieh dir das einmal an.«
»Was?«
Stumm deutete Haut auf eine Reihe kleiner Abdrücke im Schlamm. In einigen von ihnen stand immer noch ein wenig Wasser, das noch nicht versickert war, was bedeutete, daß die Spuren frisch waren.
Diese Fährte stammte weder von einem Mammut noch von einem Bison, soviel stand fest.
Und dann rief Hirsch von seinem Spähposten oben auf der Klippenwand etwas zu ihnen herunter. »Speer! Haut! Seht mal nach Norden!«
Beide Männer wandten sich um. Vorher war es nicht zu erkennen gewesen, doch nun, als die Abenddämmerung langsam den Himmel blutrot malte, stand er am Horizont wie ein dünner, silberner Speer: der Rauch eines Feuers.
Dort scheint es windstill zu sein, dachte Speer. Sonst würde der Rauch nicht so senkrecht emporsteigen.
Die Nacht war kühl, aber nicht so kalt, daß sie selbst ein wärmendes Feuer hätten entzünden müssen. Trotzdem legten sie in der Dunkelheit keine große Entfernung zurück. Speer fürchtete die Geister der Finsternis mehr als die meisten, doch er hatte keine Wahl gehabt. Voller Angst hatte er die Männer in die Richtung des fernen Lagerfeuers geführt.
Bei Sonnenaufgang hatten sie das fremde Lager fast erreicht. Sie waren durch das trockene Tundragras gerobbt, sorgsam bemüht, immer gegen den Wind zu schleichen, jedes bißchen Geschicklichkeit einzusetzen, das sie besaßen.
Nun schlängelte Speer sich die letzten Meter vorwärts und teilte mit der Hand den Vorhang aus Büschen, die auf dem Gip fel der kleinen Anhöhe wuchsen. Vorsichtig hob er den Kopf, langsam wie eine Schlange, die sich auf einem Felsen sonnt. Er hätte später am Tag mit Geist zusammentreffen müssen und wußte, daß er es nicht mehr rechtzeitig würde schaffen können.
Aber das war nicht wichtig. Seine dunklen Augen weiteten sich angesichts des Anblicks, der sich ihm unten darbot.
Jegliche Gedanken an Geist verblaßten. Dies hier war ohnehin nichts für Geist. Alter Zauber mochte mittlerweile fast lahm sein, doch Speer hegte großen Respekt vor dem, was der alte Schamane immer noch wußte.
Er schlich vorsichtig zurück, bis er sicher war, daß seine Bewegung von unten nicht gesehen werden konnte. »Wieder runter!«
flüsterte er.
Als sie die Senke hinter der Anhöhe erreicht hatten, wandte sich Speer in Richtung des weit entfernten Tales. »Wir rennen!« erklärte er
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