Maya und der Mammutstein
während er mit großer Befriedigung die Lagerstätte überblickte. Dies war ein guter Ort für eine Zwischenrast. Der Stamm war nun bereits seit mehreren Wochen unterwegs; sie folgten ihren Namensgebern, während die großen, zottigen Tiere an der Eis wand entlangzogen und sich dann südwärts wandten, um dem Fluß zu folgen. Dies hier war völlig jungfräuliches Gebiet; kein anderer Stamm, soweit Karibu wußte, war jemals so tief in die große Steppe vorgedrungen.
»Kleine Ratte!« rief er plötzlich.
Der kleinere Mann gab seine Arbeit am Herdfeuer auf und sah hoch. »Ho, Karibu! Wird auch Zeit, daß du deine faulenden Knochen endlich aus dem Bett wälzt!«
Karibu lachte in sich hinein. Ratte war ein komischer kleiner Mann, der einen zynischen Humor pflegte. Darüber hinaus war er der geschickteste Fallensteller des Stammes, und Karibu glaubte, daß sie seine Fähigkeiten sehr bald in Anspruch würden nehmen müssen.
Weiter links schoß das Wasser eines Flusses sprudelnd über schwarze Felsen. Es floß zwar schnell an dieser Stelle, doch am Ufer war der Fluß flach, und Karibu hatte mit eigenen Augen Fische erblickt.
Vielleicht konnte Ratte ja etwas für die Frauen bauen, das diese zum Fangen der Fische verwenden konnten. Er war sehr geschickt in dieser Hinsicht. In der Tat war Ratte in vielerlei Hinsicht sehr geschickt. Karibu preßte einen Finger auf seine Wange und spuckte aus. Es war besser, das nicht zu vergessen - in manchen Dingen war Ratte alles in allem zu geschickt.
Karibu grinste selbstzufrieden. Der Morgen war zu schön, als daß man ihn sich mit solchen Überlegungen verderben sollte. Er wußte, daß er selbst sehr geschickt war - vielleicht nicht auf denselben Gebieten wie Ratte, doch bei anderen, gleichermaßen, wichtigen Dingen. Und falls Ratte sich zuviel herausnehmen sollte, nun - er ließ die gewaltigen Muskelpakete auf seinen breiten Schultern spielen -, es gab Möglichkeiten, auch damit umzugehen. Ratte war klein. Karibu wußte, daß er ihn wie einen trockenen Zweig übers Knie brechen konnte, wenn es nötig sein sollte.
Er knurrte zufrieden. Die Frauen hatten die Bisonkeule nun an eine lange Stange gebunden, die sie auf Steinhaufen legten, die sie rechts und links des Feuers aufgetürmt hatten. Schon bald zog der verlockende Duft gebratenen Fleisches durch das Lager.
Das Leben meinte es wirklich gut mit ihnen. Bisons schien es hier in Hülle und Fülle zu geben, und ganz in der Nähe war Wasser. Ein guter Platz, um eine Weile zu lagern, sich auszuruhen und zu stärken und zu kräftigen, bevor sie ihre endlose Wanderung wieder aufnahmen. Das Bisonvolk war nie seßhaft gewesen und würde das auch nie sein. Nicht, solange das Gras wuchs und der Wind blies - und das Bison mit dem Wind zog.
Er räusperte sich, förderte so einen weiteren gelben Schleimpfropfen aus dem Rachen hoch, spuckte aus und gesellte sich zu Ratte, der mit strahlenden schwarzen Augen zu ihm aufblickte. »Ich glaube, wir sollten Jäger ausschicken«, sagte Schwarzes Karibu. »Dies hier ist ein guter Platz, um eine Zeit lang zu rasten.«
Ratte schürte das Feuer. Ein hellgelber Funkenregen stob auf und traf zischend auf das Fleisch, das oben briet. »Ein sehr guter Platz«, stimmte er zu. »Sobald wir gegessen haben, rede ich mit Schneehase und Sommerwind. Wir könnten heute noch aufbrechen, vorausgesetzt, der Schamane sagt, daß die Geister mit uns sind.«
Karibu nickte versonnen. Der Geist der Lüfte, der Vater Aller Dinge, mußte befragt werden. Das war jedoch die Sache des Schamanen, Gebrochene Faust. Karibu vermutete, daß der Schamane Gu tes verkünden würde. Gebrochene Faust wußte immer recht genau, was Karibu wollte, und meist zeigte sich auch der Vater Aller Dinge einverstanden.
Erstaunlich, daß es für gewöhnlich so lief.
Vor guter Laune strotzend, hockte Karibu sich neben den kleinen Mann, den er wohl eines Tages würden töten müssen, dessen Dienste er sich jedoch bis dahin, so gut es ging, zunutze zu machen beabsichtigte. Sein Magen knurrte, laut genug, daß Ratte neben ihm es hörte und grinste.
»Ich bin hungrig!« verkündete Karibu. »Schüre das Feuer, Ratte! Ich will bald essen.«
Der Geruch gebratenen Fleisches weckte Gebrochene Faust aus einem unruhigen Schlummer. Zunächst blinzelte er orientierungslos in der Dunkelheit seines Zeltes. Träumte er noch? Kurz darauf ließ ihm der Duft der Bisonkeule das Wasser im Mund zusammenlaufen, und so kam er zu dem Ergebnis, daß die Träume vorüber
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