Maya und der Mammutstein
sein mußten. In letzter Zeit hatte er eine Menge geträumt; der Geist der Lüfte sprach öfter zu ihm, als es jemals zuvor der Fall gewesen war. Aber jetzt bin ich sehr hungrig, dachte Gebrochene Faust, während er unter seinen Fellen hervorkroch und sich den Schlaf aus den Augen rieb.
Er ließ einen Wind abgehen und spürte, wie ein gewaltiger Rülpser in seiner Kehle hochstieg. Das Volk hatte am Vortag gut gegessen , und Gebrochene Faust hatte das Hirn und die Leber des großen Bisons verspeist, das die Jäger erlegt hatten. Diese Organe waren voller Magie, förderten jedoch auch die Gasentwicklung in seinen Gedärmen. Er grinste säuerlich angesichts dieser Gegenüberstellung von Heiligem und Profanem.
Gebrochene Faust war ein gutaussehender Mann mit einem starken, athletischen Körperbau. Als Kind war er, zusammen mit Karibu und Ratte, einer der Anführer gewesen, doch der alte Schamane hatte ihn ihm etwas mehr als nur einen gewöhnlichen Jäger gesehen. Noch vor seinem zehnten Geburtstag hatte der alte Schamane ihn zu sich genommen und mit seiner Unterweisung begonnen. Der Alte hatte gute Arbeit geleistet; so gute Arbeit in der Tat, daß Gebrochene Faust im zarten Alter von dreizehn keine Schwierigkeiten hatte, die Giftkräuter zusammenzubrauen, mit denen er seinen Vorgänger ums Leben brachte, ganz so, wie der Geist der Lüfte es verlangt hatte. Die sen schrecklichen Geist hungerte es manchmal gar nach seinen treuesten Dienern, wenn sein Appetit wuchs.
Der Geist der Lüfte sprach unmittelbar zu Gebrochener Faust, besonders, wenn der Geist hungrig war, und meist war er hungrig. Das war sein hervorstechendstes Merkmal. Er hatte sich nun eine Weile ruhig verhalten, doch falls der Traum, aus dem Gebrochene Faust soeben erwacht war, einen Anhaltspunkt geben konnte, dann näherte sich diese Ruhezeit ihrem Ende.
Flüchtig dachte er darüber nach, wen er als Opfer erwählen konnte. Er hatte im Augenblick keine besonderen Feinde. Fünfundzwanzig Jahre war er nun alt, und beinahe die Hälfte seines Lebens war er Schamane gewesen. Nach dieser langen Zeit waren all jene, die tatsächlich seine Feinde gewesen waren, längst als Opfer geendet. Ein seltsamer Zufall, doch wer war er, daß er den Willen des Geistes der Lüfte in Zweifel ziehen dürfte?
Natürlich war da noch Karibu, aber vor diesem großen, starken Mann war er auf der Hut. Karibu würde sich nicht widerstandslos ins Opferschicksal fügen, und sein Einfluß im Volk war fast ebensogroß wie der von Gebrochener Faust. Faust hatte sich auch darüber natürlich schon seine Gedanken gemacht - vielleicht würde Ratte ihm beistehen, wenn er den kleinen Mann angemessen belohnte. Ratte wäre ein guter Führer - Faust wußte, daß Ratte ganz leicht dazu gebracht werden konnte, die Notwendigkeit des Einvernehmens zwischen Schamane und Führer einzusehen. Karibu vergaß das manchmal, und dieses mangelhafte Erinnerungsvermögen war es, was die Aufmerksamkeit von Gebrochener Faust nun auf ihn lenkte, als er über das möglicherweise in Kürze darzubringende Opfer nachdachte.
Er seufzte. Was alles andere anging, so standen die Zeichen günstig. Er hatte das Flußufer erkundet und deutliche Fährten entdeckt; großes Jagdwild kam hierher zur Tränke. Er hatte sogar die breiten, runden Abdrücke eines größeren Raubtiers ausgemacht: Auch Löwen folgten dem Jagdwild.
Er hob seine linke Hand und starrte auf die Fingerstummel und die zerschmetterten Gelenke, denen er seinen Namen verdankte. Es war geschehen, als er noch ein Junge gewesen war, kurz bevor der Schamane ihn auserwählt hatte. In gewisser Weise war es ein Segen gewesen, daß der Schamane ihn aufge nommen hatte - denn der Fels, der seine Hand zermalmt hatte, hatte ebenfalls seine Chancen zerstört, jemals zu dem Jäger zu werden, der er hatte sein wollen. Er hatte damals noch großes Glück in all seinem Unglück gehabt; die Verletzung war gräßlich gewesen, doch kein böser Geist hatte sich in ihr festgesetzt, um das Fleisch anschwellen und verfaulen zu lassen. Der Alte Schamane hatte behauptet, dies sei ein Zeichen dafür, daß er unter dem besonderen Schutz des Geistes der Lüfte stehe, und dies wiederum einer der Gründe, warum er, der Schamane, überhaupt auf ihn verfallen sei.
Dies alles lag nun schon weit zurück, aber seither aß Gebrochene Faust alles mit seiner rechten Hand, mit Ausnahme des besonderen Fleisches, das der Opfer. Dafür benutzte er die zerstörten Überreste seiner Linken, das Zeichen
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