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Maya und der Mammutstein

Maya und der Mammutstein

Titel: Maya und der Mammutstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Allan
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Lächeln, als hätten unsichtbare Finger das Fleisch von Mayas Lippen in eine solche Form gebracht, die sie für zufrie denstellend hielten.
    Schauder peinigte ihn.
    Das Ding wartete einen Moment, hinter Lippen, die wie Fetzen gehäuteten Fleischs dort hingen. Ein dünner Geiferfaden sickerte aus Mayas Mundwinkel. Diese nackten weißen Augen brannten sich in sein Herz, sahen durch ihn hindurch ins Nir gendwo, als sei er gar nicht da.
    Dann - und das war sogar noch gräßlicher als alles andere - begannen diese Lippen aus scheinbar totem Fleisch zu zucken. Die Oberlippe ruckte nach rechts, und die Unterlippe klappte hoch und runter, wie Häute, die man zum Trocknen in den Wind gehängt hatte. Ein leiser, gutturaler, erstickter Laut entrang sich diesen Lippen; Alter Zauber konnte sehen, wie ihr Adamsapfel auf und ab hüpfte, gegen ihren Kehlkkopf drückte, als wäre er ein Tier in der Falle.
    Ich habe viele Geheimnisse, Schamane.
    Alter Zauber tat das Tapferste, was er je in seinem Leben getan hatte, was er jemals tun würde. Er wollte schreien, nur schreien; statt dessen zwang er seine Lippen, seine Kehle mit einer Anstrengung, derer er sich nie für fähig gehalten hatte, Worte zu bilden.
    »Wer bist du?« stieß er hervor.
    Ein dünnes, hohes Heulen hatte in seinen Ohren zu summen begonnen und machte es ihm schwer, die Antwort zu verstehen.
    Ich bin mein Geschenk an mein Volk. Nutze mich wohl!
    Mayas Körper peitschte vor und zurück, doch immer nur bis zu einer bestimmten Grenze, als bänden sie unsichtbare Seile an diesen Ort, in dieser Haltung. Die Haut in ihrem Gesicht begann sich zu bewegen, als wimmelten Hunderte kleiner Tiere direkt unter der Oberfläche, kratzten und schubsten und nagten sich ihren Weg ins Freie.
    »Ahhh«, stöhnte Alter Zauber.
    Dann war es vorbei.
    Das Ding, das nicht Maya war, verschwand, einfach so.
    Er wußte sofort, daß es weg war. In seinem Geist spürte er, wie eine weite Finsternis sich mit Licht füllte, wie das Ding zurückging dorthin, wo immer es auch hergekommen sein mochte.
    Der Gestank verbrannter Haare drang ihm in die Nase. Er sah zu Boden und bemerkte, daß er sich irgendwie über sein kleines Kochfeuer gebeugt hatte und daß der Saum seiner Robe Feuer gefangen hatte. Sein Antlitz brannte vor Hitze, weil er so nah am Feuer war, doch tief in seinem Innern war keine Wärme.
    Einstmals, als das Verständnis des Geheimnisses in ihm zu voller Blüte gereift war und er begriffen hatte, daß ihm die Macht des Steins, der unmittelbare Zugang zu der Mutter und ihren Kindern, auf immer verschlossen sein würde, war er enttäuscht gewesen. Die Vorstellung, die Große Mutter nackt und unverhüllt zu Gesicht zu bekommen, war ihm als erstrebenswertes Ziel erschienen.
    Nun verstand er. Nur ein verschwindend kleiner, höchst unbedeutender Teil von dem Ding, das nicht Maya war, war in das Geisterhaus eingetreten, und selbst dessen gewaltige Macht hatte ihn beinahe getötet.
    Er schloß seine Augen und flüsterte das inbrünstigste Dankgebet, das ihm jemals über die Lippen gekommen war. Und dann, als er die Augen wieder aufschlug und Mayas zusammen gesackte Gestalt erblickte, preßte ihm das Mitleid das Herz zusammen wie eine eiserne Faust.
    Dank sei der Gnade der Mutter, daß sie sich ihm niemals zu erkennen geben würde. Für Maya jedoch gab es keinen solchen Schutz.
    Die Göttin war in ihr; für Maya würde es nie einen Ort geben, an dem sie sich verbergen konnte.
    Nutze mich wohl?
    Das Kind. Das arme, arme Kind.
    Maya erwachte erfrischt, wie nach einem langen und tiefen Schlaf. Das erste, was sie sah, war Alter Zauber, der ein glimmendes Kohlestückchen aus dem Saum seiner Robe schüttelte, die Feuer gefangen hatte. Wie hatte das geschehen können? Sie erinnerte sich an nichts .., Sie schüttelte den Kopf.
    Erinnerte sich an nichts. Nein, das stimmte nicht ganz. Da war etwas, doch es hatte nichts mit dem seltsam erleichterten und zugleich furchtsamen Ausdruck der zerfurchten Züge des Schamanen zu tun, mit seinen panischen Bewegungen, während er linkisch auf den angesengten Fellstreifen einschlug. Sie entsann sich eines Lichtes, einer Empfindung, die derjenigen glich, die sie manchmal verspürte, wenn sie sich die Finger über die Augen legte, das Gesicht der Sonne zuwandte und dann für einen Augenblick ihre Finger spreizte, so daß die Sonnenstrahlen in ihrem Kopf zu dringen schienen.
    Etwa so, aber viel, viel gewaltiger.
    Sie erinnerte sich an ein Licht, das heller wa r als die

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