Maya und der Mammutstein
über, die den Stein vor der Berührung durch ein männliches Wesen schützten.
»Maya...«, sagte er langsam, und seine Stimme zitterte ein ganz klein wenig, als er den Stein hochhob und ihr darreichte, »nimm dies, bitte, und halte es in deinen Händen.«
Bisonlager
Schwarzes Karibu wartete, bis der Schamane, Gebrochene Faust, wieder in sein Zelt zurückgegangen war. Er hatte die ganze Zeit über gelächelt, doch nun, da der Schamane gegangen war, konnte Karibu seine Kiefer, die bereits schmerzten, entspannen. Als er sich umwandte, um Kleiner Ratte ins Gesicht zu blicken, standen seine schwarzen Augen ein wenig vor, und plötzlich aufgetretene Flecken, die wie Abschürfungen aussahen, entstellten die Haut darunter.
Kleine Ratte stierte zurück, und ein Gefühl der Erleichterung flatterte mit Schmetterlingsflügeln durch seine Brust. Wenn der Geist der Lüfte ein Opfer verlangte, war niemand sicher. Und Ratte war sein ganzes Leben über nicht blind gewesen: Er hatte ges ehen, wie diejenigen, die sich über Fausts Mißbildung lustig machten oder ihm auf andere Weise im Wege standen, auf seltsame Weise den Hunger des Geistes der Lüfte weckten.
Ratte glaubte, seine eigenen Gefühle gut genug verborgen zu haben, doch es war immer nur ein kurz währender Trost, wenn die blutigen Hände des Geistes der Lüfte wieder an ihm vorbeigeglitten waren.
Karibu vermochte seine Empfindungen nicht so gut zu verheimlichen, doch Karibu hatte Furcht gezeigt, und der Schamane hatte das genossen.
Kleine Ratte hatte bereits seit geraumer Zeit etwas in dieser Art erwartet.
Karibu war ein großer, einschüchternder Mann, der keine Scheu davor hatte, seine Stärke auszuspielen. Irgendwie, ohne daß man es richtig bemerkt hätte, war Schwarzes Karibu zum Häuptling geworden - auch Ratte selbst hatte diese Entwicklung eigentlich erst bemerkt, als sie sich schon vollzogen hatte. Die Männer, die die Fallen stellten, die Fährten lasen, und die Männer, die jagten, und die, die Steine suchten, aus denen Speere und Messer gefertigt wurden, und ihre Frauen und Kinder, all diese Menschen hatten irgendwann damit begonnen - weil es ihnen so natürlich erschien -, Karibu mitzuteilen, was sie gerade taten. Oder zu tun vorhatten. Einfach, um seine Zustimmung dazu einzu holen. Wenn die Meinung von Schwarzem Karibu anders lautete, er seine Zustimmung also nicht gab oder er eine andere Vorgehensweise vorschlug - nun, in diesem Fall liefen die Dinge dann eben so, wie er es wollte.
Ratte bezweifelte, ob Karibu selbst in vollem Ausmaß begriff, wie sehr der Schamane ihm die Gunstbeweise der anderen neidete. Er, Ratte, hatte dies bereits seit langem geahnt, und nun war er sich sicherer als je zuvor, daß Faust dem anderen nicht wohlgesonnen war. Er fragte sich, wen der Geist der Lüfte wohl als nächsten haben wollte - und war davon überzeugt gewesen, daß die Wahl, auf wen immer sie auch fallen mochte, Karibu keine Freude bereiten würde.
Er vermutete, daß der Geist der Lüfte keinen Hunger auf Karibu selbst verspüren würde, so bald noch nicht. Nicht, solange Karibu so stark und mächtig war wie zur Zeit.
Natürlich hatte er Karibu gegenüber nichts dergleichen verlauten lassen.
Jeder war schließlich für sein eigenes Geschick verantwortlich. Wenn Karibu zu begriffsstutzig war, um zu beme rken, was vor seiner Nase geschah, dann verdiente er sein Schicksal. Ratte hegte ganz gewiß keine Absichten, ihn aufzu klären. Doch er hegte andere Absichten ...
»Es wird ein großes Opfer werden«, erklärte Ratte feierlich. »Der Geist der Lüfte wird sehr glücklich sein.«
Karibus Augen aber waren überschattet, und er sah elend aus, als er versuchte, ein schroffes zustimmendes Nicken zustande zu bringen. »Ja«, gelang es ihm zu sagen. »Sehr glücklich.«
Das Grüne Tal
Als Maya in das Zelt des Schamanen trat, war sie glücklich und nervös und neugierig zugleich. Irgend etwas an Beeres Gesichtsausdruck war anders gewesen, als sie ihr mitgeteilt hatte, daß der Schamane sie zu sehen wünsche - und obwohl Maya diese Veränderung nicht zu deuten vermochte, so wußte sie doch, daß sich auch etwas in ihrem Leben wandeln würde. Sie hatte darüber nachgedacht, während sie ihren Überwurf gewechselt hatte - sie besaß nun deren zwei, aus Lederstreifen, die sie selbst gegerbt und sorgsam mit eigenen Händen zusammengenäht hatte. Da zu hatte sie Knochennadeln benutzt, die sie lange Nächte mit einem glatten Steinstückchen abgerieben hatte, bis sie
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