Mayabrut (German Edition)
Winter erschwerte. So wäre es durchaus denkbar, dass dieser Händler mit seinen im Süden liegenden heimatlichen Gefilden die Wahrheit gesprochen hat. Und noch von einer weiteren Besonderheit hatte der Mann dem Vorfahren des Schamanen berichtet. Dieser geheimnisvolle Mayapriester, in dessen Auftrag der Händler unterwegs war, sei viele Hundert Jahre alt, weil ihn die Dämonen einer Pyramide beschützten, in deren Inneren er lebe. Außerdem trage er als Zeichen dieser Geister eine schwarze Kugel auf dem Kopf.“
„Aha“, atmete Cara auf, so sollte dieses Spiel laufen. Das seltsame Video sollte durch eine noch verrücktere Geschichte glaubhaft gemacht werden, oder auch umgekehrt. Zorn stieg in ihm auf und sein Körper versteifte sich vor Wut.
„Señor Sutin, bitte verstehen Sie mich jetzt nicht falsch, aber ich denke, wir sollten an dieser Stelle unser Gespräch beenden.“ Ruhig erhob er sich und streckte seinem Gegenüber die Hand zum Abschied entgegen.
„Señor Cara, es war mir eine Ehre.“ Ächzend erhob sich der Russe und fummelte in seiner Jacke herum. „Erlauben Sie mir, Ihnen als Aufwandsentschädigung dieses bescheidene Präsent zu überreichen und Sie zu bitten, einen Blick darauf zu werfen.“
In Sutins weißer Stoffhand lag ein, mit einem abgegriffenen Jaguarfell bezogenes Futteral. Vorsichtig nahm es Cara in die Hand. Zweifelsfrei verbreitete dieses Geschenk ein Flair, viele Hundert Jahre alt zu sein.
Von seiner Form her konnte man es für das Behältnis einer Blockflöte halten, aber er ahnte, dass sich in seinem Inneren etwas viel Bedeutsameres befinden musste. Andächtig legte er das Etui auf dem Tisch vor sich ab. Zweifel stiegen in ihm auf und verflogen wieder. Wenn dies eine Bombe sein sollte, die beim Öffnen explodierte, würde dieser Sutin nicht so cool daneben stehen.
Langsam zog er aus der fellummantelten Scheide eine grüne, durchsichtige Spitze und erstarrte. Er hatte ein etwa zehn Zentimeter langes Bruchstück eines Smaragds in Form eines Dolches in seiner Hand.
Diese Kogui-Story nahm eine beängstigend reale Gestalt an. Ohne Zweifel stammte dieses Bruchstück von einem riesigen Smaragdkristall, das konnte er auf den ersten Blick an den darin enthaltenen Einschlüssen und Trübungen erkennen. Aber wenn dieses Stück echt war, zweifelsfrei echt war, dann war vielleicht auch dieses Video kein Fake. Und für diese Pyramide mit ihrem seltsamen Gast musste es auch eine Erklärung geben.
Sutin unterbrach seine Grübeleien barsch: „Señor Cara, ich denke es ist Zeit, miteinander zu reden!“
Erschrocken zuckte Cara auf und starrte seinen Gast an. Der setzte sich ihm unaufgefordert gegenüber und begann mit seinen Ausführungen. „Señor Cara, ich denke, wir sind uns beide der Bedeutung dieser Aufnahmen, dieser Beweise bewusst. Hier in einem Andental Kolumbiens hat eine Kolonie der Maya die Zeit überdauert. Bis jetzt hat sich dieser Kogui-Bericht in allen Punkten, die überprüfbar waren, als richtig erwiesen und es bestehen für mich keine Zweifel, dass sich auch weitere Teile bestätigen werden; dies gilt es zu überprüfen.“
Cara fühlte sich wie ein Schuljunge, dem gerade sein Lehrer eine Latte von Aufgaben verpasste.
„Señor Cara, deshalb habe ich eine Expedition in dieses Tal geplant, um vor Ort die Wahrheit zu erkunden, und Ihnen möchte ich die Expeditionsleitung anbieten.“
Alles verkrampfte sich in ihm. Dieser Sutin strahlte etwas Magisches, etwas Zwingendes aus. Eiskalte Logik zementierte jedes seiner Worte. Und während er seinen Mund öffnete und eine Frage zu stellen suchte, ahnte er, wie lässig Sutin ihn kontern würde. Wie einer dieser russischen Schachgroßmeister hatte bestimmt auch Sutin alle Überlegungen seines Gegenübers vorher durchgespielt und brütete nur noch eine besonders elegante Variante des verbalen Matts aus. Der Russe spielte mit ihm und er hatte alle Trümpfe in der Hand. Zeit schindend tupfte er sich mit dem Sommerponcho die Stirn ab und legte ihn nachdenklich auf die Schulter zurück, dann stellte er dem Russen die alles entscheidende Frage.
„Señor Sutin, wieso ich, wieso erzählen Sie ausgerechnet mir dies alles, wieso halten Sie gerade mich für geeignet, eine so heikle Mission anzuführen? Es gäbe doch sicherlich bedeutend kompetentere Leute als den Hobbyarchäologen Cara, um sie mit der Erforschung dieser Pyramide zu beauftragen.“
„Señor Cara, ich kenne nicht nur Ihre geheime Leidenschaft für die Hochkultur der
Weitere Kostenlose Bücher