Mayabrut (German Edition)
Blumenrabatten. Vor ihm wucherte das Wandgemälde von Buenaventura auf. Hunderte Phalaenopsis Orchideen reckten ihre weiß-lila Gesichter dem Himmel entgegen und ein rot glühendes Heliconia-Ährenmeer tauchte den Boden in einen kalten Feuerschein. Von dunklen Baumriesen hingen pinkfarbene Passiflora-Trompeten und in einer allerletzten tödlichen Umarmung umschlang eine mit Bromelien bewehrte Würgefeige einen Urwaldriesen.
Nun bog der Wagen in eine leicht ansteigende Bergschlucht ein. Sofort wechselte das Schwarz der Asphaltfahrbahn zu einem Weg aus bunten Steinplättchen. Erregt drückte er seine Stirn an die Seitenscheibe und starrte auf die vorbeieilenden Farbpunkte. Was hier die Straße bedeckte, war eine Auswahl der erlesens ten Schmucksteine. Bunte Achate wechselten mit violetten Amethysten, beigefarbene Jaspise bildeten Atolle im Lapislazuli-Meer, durchwuchert von tannengrünem Moosachat.
Sein Atem stockte, denn es waren Kunstwerke, über die sie da rollten. Hinter dem vorausfahrenden VW-Touareg erstrahl ten die bunten Steinchen als die Sonnenblumen van Goghs. Ein schwarzer Rahmen aus Obsidian folgte, der im Sonnenlicht wie Gold schimmerte. Nun legten die Breitreifen des Geländewagens Dalis Meisterwerk „Die weichen Uhren“ frei. Aufgeregt blickte er zurück; steinern schlängelte sich die Dschungellandschaft Henri Rousseaus in Sutins Orchideenparadies.
Der Maybach drosselte erneut die Geschwindigkeit und graue Felswände schlichen vorbei. Doch was war das? Bergkristalle hingen an Felsnasen herunter und funkelten wie Eiszapfen im Sonnenlicht. Im Felsgrau irisierten Opalrinnsale in einem Flussbett aus Moosachat, und Feueropale spien kalte Lava in einen bläulich schillernden Himmel aus Labradorit.
Als Smaragdhändler kannte er sich in der Welt der edlen Steine aus – aber das, was hier an seinen Augen vorbeizog, war ein surrealer Traum à la Dali, wahr geworden in Edelstein.
Die edlen Felsskulpturen wichen und ein Marmorpalast wuchs vor ihm auf. Und dort stand er. Der weiß gekleidete Russe verschmolz wie ein Predator vor den wie Schnee glitzernden Treppenstufen. Neben ihm harrten zwei zierliche Asiatinnen. In ihren grün schillernden Saris ähnelten sie Kolibris.
Als der Fahrer ihm die Tür öffnete, fauchte Cara schwüle r Dschungelatem ins Gesicht. Unwillkürlich griff er nach seinem Sommerponcho und tupfte sich die Stirn ab. Benommen taumelte er Sutin entgegen. Anmutig verschränkten die Asiatinnen ihre Arme vor der Brust und verneigten sich kurz. Dann eilten sie wortlos an ihm vorbei und kümmerten sich um sein Gepäck.
Erneut liefen ihm Schauer über den Rücken, als er Sutins stoffüberzogene Hand drückte. Einige Begrüßungsfloskeln folgten, die aber öfters von heftigen Hustenanfällen Sutins unterbrochen wurden. Nach Luft ringend geleitete ihn der Russe in das Innere seines Reiches.
Kurz darauf standen sie in einem riesigen Vorraum, dessen einziger Schmuck aus meterhohen Spiegelwänden bestand. Auf eine dieser Wände schritt Sutin zu, schmatzend fuhr sie zur Seite und gab dahinter einen Aufzug frei. Die Türen schlossen sich und Cara spürte eine rasche Abwärtsbewegung, der ein sanfter Ruck folgte. Der Fahrstuhl öffnete sich und ein grünes Dämmerlicht empfing ihn. Ungläubig stieg er aus und sah sich um. Er stand inmitten eines gigantischen Aquariums, selbst der Boden unter ihm bestand aus Glas. Vorsichtig folgte er dem Russen. Dieser bemerkte seine Verunsicherung und meinte beiläufig, dass der Fußboden aus Panzerglas bestehe, das mit Saphirglas beschichtet sei. Saphirglas wurde eigentlich nur für Luxusuhren wie seine Rolex verwendet, überlegte er. Doch einmal damit ausgestattet, garantierte es eine kratzerfreie Oberfläche, und dies lebenslang. Selbst mit Sohlen aus Beton konnte er Sutins Wasserwelt keinen Schaden zufügen – nur der Diamant konnte diesen Belag verletzen.
Hinter dem dicken Glas erblickte er die lebenden Juwelen der südamerikanischen Flüsse. Tausende grünblau irisierende Neons, rot blinkende Glühlichtsalmler und blau glänzende Kolumbianer tummelten sich da vor ihm. Plötzlich schossen die schillernden Wolken auseinander und ein monströser Echsenkopf knallte gegen die Glasröhre. Ein dumpfes Wummern fraß sich in Caras Körper. Dolchartige Zähne schrammten an ihm vorbei, dann verschwand die gepanzerte Horrorechse im Dunkel eines Mangrovengewirrs.
Cara drückte sich an die hintere Glaswand. Noch nie hatte er ein solch gigantisches Krokodil gesehen. Sutin
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