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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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abergläubisch wie meine Nini, erkenne aber doch an, dass die Welt geheimnisvoll und alles möglich ist. Manuel hat ein ganzes Kapitel über die »Mayoría« oder »Recta Provincia« geschrieben, eine Regierung aus Hexern, die an diesen Küsten sehr gefürchtet ist. Auf unserer Insel wird getuschelt, die Familie Miranda seien Hexer, und die Leute kreuzen die Finger und bekreuzigen sich, wenn sie am Haus von Rigoberto Miranda vorbeigehen, der von Beruf Fischer ist und mit Eduvigis Corrales weitläufig verwandt. Sein Name ist genauso verdächtig wie das unverschämte Glück, das er hat: Selbst wenn das Meer rabenschwarz ist, rangeln die Fische darum, ihm ins Netz zu gehen, und seine einzige Kuh hat in drei Jahren zweimal Zwillinge geboren. Angeblich besitzt Rigoberto Miranda einen macuñ , ein Leibchen aus der Brusthaut eines Toten, mit dem er nachts fliegen kann, aber gesehen hat das noch niemand. Man sollte, heißt es, den Toten mit einem Messer oder scharfkantigen Stein die Brust anritzen, damit sie nicht das unschöne Schicksal ereilt, als Weste zu enden.
    Die Hexer fliegen, können großen Schaden anrichten, töten durch Gedanken und verwandeln sich in Tiere, was in meinen Augen alles nicht zu Rigoberto Miranda passt, einem zurückhaltenden Mann, der Manuel oft Krebse bringt. Aber meine Meinung zählt nicht, ich bin eine Gringa und habe keine Ahnung. Eduvigis sagt, ich soll die Finger kreuzen, ehe ich Rigoberto Miranda ins Haus lasse, für den Fall, dass er einen Fluch mitbringt. Wer Hexerei noch nicht am eigenen Leib erfahren hat, neigt zu Ungläubigkeit, aber sobald etwas Eigenartiges vorfällt, läuft man hier zur nächsten machi , das ist eine indianische Heilerin. Angenommen, eine Familie bekommt eines Tages starken Husten; dann sucht die Machi den Basilisken oder die Riesenschlange, ein bösartiges Reptil, das aus dem Ei eines alten Hahns geschlüpftist, sich unter dem Haus eingerichtet hat und nachts den Atem der Schlafenden aufsaugt.
    Die deftigsten Geschichten und Anekdoten wissen die alten Leute an den entlegenen Orten des Archipels zu erzählen, wo sich Glaube und Brauchtum seit Jahrhunderten nicht verändert haben. Manuel befragt aber nicht nur sie, sondern auch Journalisten, Lehrer, Buchhändler und Kaufleute, die über Hexer und Magie spotten, sich aber nie und nimmer nachts auf einen Friedhof trauen würden. Blanca Schnake sagt, ihr Vater habe in jungen Jahren den Eingang zu der geheimnisvollen Höhle gekannt, wo die Hexer sich versammeln, sehr nah bei dem lieblichen Dorf Quicaví, aber 1960 hat ein Erdbeben Land und Meer verschoben, und seither konnte niemand die Höhle finden.
    Bewacht wird die Höhle von den invunches , das sind grausige Wesen, von den Hexern aus dem erstgeborenen Sohn einer Familie erschaffen, den sie stehlen, ehe er getauft ist. Die Methode, wie aus dem Säugling ein Invunche wird, ist so makaber wie unglaubhaft: Erst bricht man ihm ein Bein, es wird verdreht und unter die Haut des Rückens geschoben, damit er nur noch dreibeinig krabbeln kann und nicht wegläuft; danach wird er mit einer Salbe eingerieben, durch die ihm ein dickes, drahtiges Ziegenfell wächst, die Zunge wird nach Schlangenart gespalten, und man füttert ihn mit dem Fleisch einer toten Frau und der Milch einer Indianerin. Verglichen damit, hat ein Zombie Glück gehabt. Wie krank muss einer sein, der sich so etwas ausdenkt?
    Nach Manuels Theorie war die Recta Provincia oder Mayoría ursprünglich ein politisches Gebilde. Seit dem achtzehnten Jahrhundert lehnten sich die hiesigen Huilliche-Indianer erst gegen die spanische, dann gegen die chilenische Herrschaft auf; offenbar richteten sie eine Untergrundregierung nach dem Vorbild der spanischen und jesuitischen Verwaltung ein, teilten das Territorium in Königreiche auf und ernannten Präsidenten, Schreiber, Richter usw. Dreiführende Hexer gehorchten dem König der Recta Provincia, dem König der überirdischen Welt und dem König der unterirdischen Welt. Weil man das unbedingt geheim halten und die Bevölkerung überwachen musste, sorgte die Mayoría für ein Klima abergläubischen Schreckens, und so ist aus der politischen Strategie am Ende eine magische Tradition geworden.
    Im Jahr 1880 wurden etliche Leute unter dem Verdacht der Hexerei festgenommen, kamen in Ancud vor Gericht und wurden erschossen, weil man der Mayoría den Garaus machen wollte, aber niemand würde behaupten, das sei gelungen.
    »Glaubst du an Hexen?«, wollte ich von Manuel

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