Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)
Glas Hochprozentigen gegen das Muffensausen und klopfte an die Türdes Hotelzimmers. Der Mann schien kurz verstimmt, weil sie älter war als auf dem Foto, konnte sich aber nicht beschweren, da er sich in der Anzeige selbst zehn Jahre jünger gemacht hatte. Er erklärte Debbie, ihre Rolle bestehe darin zu gehorchen, und seine, ihr zu sagen, was sie zu tun habe, und sie ein bisschen zu bestrafen, womit er ihr aber nicht wehtun, sondern ihr Betragen korrigieren wolle, was ja die Pflicht eines guten Vaters sei. Und was ist die Pflicht einer guten Tochter? Lieb sein zu Papi. Wie heißt du? Ach, das tut nichts zur Sache, für mich bist du Candy. Komm, Candy, setz dich zu mir, hier auf Papis Schoß, und erzähl mal, ob du heute Stuhlgang hattest, das ist sehr wichtig, mein Kleines, das A und O für die Gesundheit. Debbie sagte, sie habe Durst, und er bestellte beim Zimmerservice eine Limo und ein Sandwich. Während er ihr die Vorzüge von Einläufen erklärte, gewann sie Zeit, indem sie, Daumen lutschend, mit gespielter kindlicher Neugier das Zimmer in Augenschein nahm.
Sarah und ich warteten in der Tiefgarage des Hotels wie vereinbart zehn Minuten ab und schickten dann Rick Laredo los, der mit dem Fahrstuhl hoch fuhr und an die Tür klopfte. »Zimmerservice!«, rief er, wie ich es ihm vorher eingeschärft hatte. Sobald die Tür geöffnet wurde, stürmte er mit gezogener Pistole in den Raum.
Laredo, von uns »der Psychopath« genannt, weil er damit prahlte, dass er Tiere quälte, konnte mit seinen Muskeln und seinem Gang-Gehabe Eindruck schinden, hatte seine Waffe aber bisher nur dazu benutzt, die Kinder einzuschüchtern, an die er seine Drogen verkaufte, und von der Berkeley High zu fliegen. Als er hörte, wir wollten Pädophile ausnehmen, rutschte ihm das Herz in die Hose, weil die Nummer ein bisschen zu groß für ihn war, aber er wollte ein Held sein und die Vampire beeindrucken. Also erklärte er sich bereit, uns zu helfen, und brachte sich mit Tequila und Crack in Fahrt. Als er, mit irrem Blick und mit seinen Anhängernund Ketten klimpernd, ins Hotelzimmer stürmte und mit beiden Händen die Pistole schwenkte, wie er das im Kino gesehen hatte, taumelte der verhinderte Papi rückwärts auf den einzigen Sessel im Zimmer und krümmte sich darauf zusammen wie ein Fötus. Laredo zögerte, wusste vor lauter Aufregung nicht mehr, was jetzt kam, aber Debbie hatte ein besseres Gedächtnis.
Wahrscheinlich hörte der Mann nicht die Hälfte dessen, was sie ihm sagte, weil er erschrocken wimmernd die Arme um den Kopf geschlungen hatte, aber manche Wörter wie »Bundesverbrechen«, »Kinderpornographie«, »versuchte Vergewaltigung Minderjähriger« und »Jahre im Gefängnis« verfehlten ihre Wirkung nicht. Gegen die Zahlung von zweihundert Dollar in bar könne er diese Unannehmlichkeiten vermeiden. Der Typ schwor bei allem, was ihm heilig war, so viel Geld habe er nicht dabei, und das regte Laredo derart auf, dass er ihn womöglich erschossen hätte, wäre Debbie nicht geistesgegenwärtig genug gewesen, mich auf dem Handy anzurufen; ich war das Superhirn der Bande. In dem Moment wurde wieder an die Tür geklopft, und diesmal war es der Zimmerkellner mit der Limo und dem Sandwich. Debbie nahm das Tablett an der Tür entgegen, unterschrieb die Rechnung und schirmte dabei die Sicht auf das Spektakel im Zimmer ab, wo ein Mann in Unterhosen auf einem Sessel wimmerte, während ein anderer in schwarzer Lederjacke ihm den Lauf einer Pistole in den Mund schob.
Ich fuhr hoch in das Papi-Zimmer und sorgte mit der Seelenruhe, die mir ein Joint in der Tiefgarage verschafft hatte, für Entspannung der Lage. Ich sagte dem Mann, er solle sich anziehen, und versprach ihm, wenn er keine Dummheiten machte, werde ihm kein Haar gekrümmt. Nachdem ich die Limo getrunken und zwei Bissen von dem Sandwich gegessen hatte, forderte ich den Mann auf, mitzukommen und bloß keinen Aufstand zu machen, weil ihm das schlecht bekäme. Ich nahm ihn am Arm, und wirgingen die vier Stockwerke mit Laredo hinter uns zu Fuß hinunter, weil wir im Fahrstuhl jemandem hätten begegnen können. Wir stießen den Mann in den VW meiner Großmutter, den ich, ohne zu fragen (ich besaß eh keinen Führerschein), ausgeliehen hatte, und fuhren zum nächsten Bankautomaten, wo der Mann das Lösegeld zog. Er gab uns die Scheine, wir stiegen wieder ins Auto und machten, dass wir wegkamen. Den Mann ließen wir auf der Straße stehen, er atmete erleichtert auf und war fürs Erste
Weitere Kostenlose Bücher