Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)
vermutlich vom Papi-Spielen geheilt. Die gesamte Operation hatte fünfunddreißig Minuten gedauert, und der Adrenalinschub war mindestens so gut wie die fünfzig Dollar, die jeder von uns dabei einstrich.
Am meisten war meine Nini von meiner Skrupellosigkeit schockiert. In den Mails, die täglich massenhaft hin und her gingen, fand sie keinerlei Hinweis auf Gewissensbisse oder Furcht vor möglichen Konsequenzen, ich schrieb mit der Unverfrorenheit der geborenen Betrügerin. Die Papi-Nummer hatten wir inzwischen noch dreimal wiederholt und es dann bleiben lassen, weil uns Rick Laredo auf die Nerven ging mit seiner Knarre, seiner pudelhaften Anhänglichkeit und seinen Drohungen, mich umzubringen oder uns anzuzeigen, wenn ich nicht »sein Mädchen« sein würde. Er war gemeingefährlich, konnte jederzeit den Kopf verlieren und in einem Wutanfall jemanden umbringen. Außerdem wollte er einen größeren Anteil vom Gewinn, weil er, wenn wir aufflögen, für ein paar Jahre in den Knast gehen würde, während wir mit einer Jugendstrafe davonkämen. »Ich habe das Wichtigste: die Knarre«, sagte er. »Nein, Rick, das Wichtigste habe ich: Köpfchen«, sagte ich. Er hielt mir den Lauf seiner Pistole an die Stirn, aber ich schob ihn mit einem Finger zur Seite, drehte mich um und ging mit den beiden anderen Vampiren lachend weg. Das war das Ende unseres einträglichen Geschäfts mit den Pädophilen, aber Laredowar ich damit nicht los, er bettelte weiter um meine Gunst, und ich begann ihn zu hassen.
Bei der nächsten Durchsuchung meines Zimmers fand meine Nini wieder Drogen und Pillentütchen und außerdem eine schwere Goldkette, auf deren Herkunft meine Mails keinen Hinweis gaben. Sarah hatte sie ihrer Mutter geklaut und ich sie an mich genommen, bis wir herausbekommen hätten, wie wir sie am besten zu Geld machen konnten. Sarahs Mutter war eine ergiebige Einkommensquelle für uns, weil sie für einen Unternehmerverband arbeitete, viel Geld verdiente und gern shoppen ging; außerdem war sie ständig auf Reisen, kam abends spät heim, ließ sich leicht hinters Licht führen und merkte nicht, wenn etwas wegkam. Sie hielt sich für die beste Freundin ihrer Tochter und glaubte, die würde ihr alles erzählen, dabei hatte sie keinen Schimmer, wie Sarah eigentlich lebte, und sah nicht einmal, wie unterernährt und blass sie war. Manchmal lud sie uns zum Biertrinken und Grasrauchen ein, weil das, wie sie sagte, in ihren vier Wänden sicherer sei als auf der Straße. Ich konnte nur schwer nachvollziehen, wieso Sarah an diesem Märchen vom grausamen Stiefvater strickte, wo sie doch eine Mutter hatte, um die man sie beneiden konnte; im Vergleich zu ihr war meine Nini ein Monstrum.
Meine Großmutter verlor das bisschen Seelenfrieden, das sie besaß, und war überzeugt, ihre Enkelin werde zwischen Junkies und Pennern in der Gosse enden oder im Knast unter den Jugendlichen, die Schneewittchen nicht hatte retten können. Irgendwo las sie, Teile des jugendlichen Gehirns entwickelten sich erst spät, deshalb stünden die Halbwüchsigen neben sich und ließen nicht vernünftig mit sich reden. Daraus schloss sie, dass ich in der Phase des magischen Denkens feststeckte wie sie selbst, als sie versucht hatte, mit dem Geist ihres verstorbenen Mannes in Verbindung zu treten, und in die Fänge dieser Seherin in Oakland geraten war. Als treuer Freund und Vertrautergab Mike O’Kelly sich Mühe, sie zu beruhigen, meinte, über mich gehe gerade ein Tsunami von Hormonen hinweg, das sei aber nichts Besonderes in dem Alter und ich im Grunde ein anständiges Mädchen, ich würde das mit heiler Haut überstehen, sie müssten mich bloß vor mir selbst und den Gefahren der Welt schützen, bis die gnadenlose Natur ihr Umbauwerk vollendet hätte. Meine Nini stimmte ihm zu, immerhin litt ich nicht an Bulimie wie Sarah, ritzte mich nicht mit Rasierklingen wie Debbie, war nicht schwanger und hatte weder Gelbsucht noch Aids.
All das und einiges mehr hatten Schneewittchen und meine Großmutter durch den schwatzhaften E-Mail-Verkehr der Vampire und Normans teuflisches Hackergeschick herausgefunden. Meine Nini rang noch mit sich, ob sie es meinem Vater sagen müsste, mit Folgen, die sie nicht absehen konnte, oder mir, wie Mike vorschlug, helfen könnte, ohne dass er es mitbekam, konnte aber keine Entscheidung mehr treffen, weil der Sturm der Ereignisse über sie hinwegfegte.
Zu den wichtigen Leuten auf der Insel gehören die beiden Polizisten, die pacos , Laurencio
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