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Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Mayas Tagebuch: Roman (German Edition)

Titel: Mayas Tagebuch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Cárcamo und Humilde Garay, die für die Ordnung zuständig und zu mir sehr freundlich sind, weil ich ihren Hund ausbilde. Die Pacos waren wegen ihrer Brutalität während der Diktatur nicht gerade beliebt, aber in den vergangenen zwanzig Jahren Demokratie konnten sie das Vertrauen und die Achtung der Menschen zurückgewinnen. Laurencio war zu Diktaturzeiten ein Kind und Humilde Garay noch gar nicht geboren. Auf den Werbeplakaten für das chilenische Polizeikorps sieht man die Uniformierten mit stattlichen Deutschen Schäferhunden, aber hier haben wir eine Promenadenmischung, einen Rüden, der Livingston heißt zu Ehren des berühmtesten chilenischen Fußballers, der schon ein alter Mann ist. Der Welpe ist gerade sechs Monate alt und damit imrichtigen Alter, um mit der Ausbildung zu beginnen, aber ich fürchte, bei mir wird er nur lernen, wie man Sitz macht, Pfötchen gibt und sich tot stellt. Die beiden Polizisten wollten, dass ich ihn für den Angriff und für das Aufspüren von Leichen schule, aber für das eine braucht es Aggressivität, für das andere Geduld, zwei entgegengesetzte Charaktereigenschaften. Vor die Wahl gestellt, entschieden sie sich für das Aufspüren von Leichen, weil es hier niemanden gibt, den man angreifen müsste, hingegen bei Erdbeben manchmal Leute verschüttet werden.
    Ich habe das vorher noch nie versucht, aber in einem Lehrbuch gelesen, man solle Lappen in Kadaverin tränken, einer stinkenden Substanz, die bei der Verwesung entsteht, den Hund daran riechen und ihn die Lappen dann suchen lassen. »Das mit dem Kadaverin wird schwierig, Gnädigste. Könnten wir nicht faulige Hühnerinnereien nehmen?«, schlug Humilde Garay vor, aber als wir es ausprobierten, führte uns der Hund schnurstracks in die Küche von Aurelio Ñancupel in der »Taverne zum lieben Toten«. Jetzt improvisiere ich mit verschiedenen Methoden herum, eifersüchtig beäugt von Fákin, der grundsätzlich nichts übrig hat für andere Tiere. Mir bietet es auch einen Vorwand, um stundenlang auf der Wache zu sitzen, Instantkaffee zu trinken und mir die packenden Geschichten der beiden »Männer im Dienst am Vaterland« anzuhören, wie sie sich selbst nennen.
    Die Wache ist ein Betonhäuschen in den Polizeifarben Weiß und Dunkelgrün mit einem Mäuerchen darum, das mit Reihen von Trogmuschelschalen verziert ist. Die Polizisten reden sehr seltsam, sagen »negativ« und »positiv« anstelle von »nein, nein« und »ja, ja«, wie es sonst in Chiloé üblich ist, ich bin eine »Gnädigste« und Livingston »der Rüde«, ebenfalls für das Vaterland im Dienst. Laurencio Cárcamo, der Ranghöhere, war länger in einem gottverlassenen Nest in der Provinz Última Esperanza stationiert undmusste dort einmal einem Mann, der bei einem Bergrutsch eingeklemmt worden war, das Bein amputieren. »Mit einer Handsäge, Gnädigste, und ohne Betäubung, Schnaps hatten wir, sonst nichts.«
    Humilde Garay, der mir als Hundeführer für Livingston geeigneter scheint, sieht wahnsinnig gut aus, ein bisschen wie dieser Schauspieler, der in den Zorrofilmen spielt, wie heißt der noch … Jedenfalls ist ein ganzes Bataillon Frauen hinter ihm her, angefangen bei Touristinnen, die sich her verirren und bei seinem Anblick den Verstand verlieren, bis hin zu Mädchen vom Festland, die gezielt anreisen, um ihn zu sehen, aber Humilde Garay ist in doppelter Hinsicht seriös, erstens, weil er die Uniform trägt, und dann, weil er evangelikal ist. Von Manuel wusste ich, dass Garay ein paar argentinische Bergsteiger gerettet hat, die in den Anden verschollen waren. Die Suche sollte schon aufgegeben werden, weil man die Vermissten für tot hielt, aber dann meldete sich Garay. Er markierte mit dem Bleistift einen Punkt auf der Karte, man schickte einen Helikopter hin und fand genau dort die Verschollenen, mit schweren Erfrierungen, aber am Leben. »Positiv, Gnädigste, die Position der mutmaßlichen Todesopfer aus der Schwesterrepublik war auf der Michelinkarte korrekt eingetragen«, antwortete er mir, als ich ihn danach fragte, und zeigte mir einen Zeitungsartikel aus dem Jahr 2007 mit der Meldung und einem Foto des Polizeiobersten, der ihm damals den Einsatzbefehl gegeben hatte. »Wenn Humilde Garay Ranquileo, Unteroffizier im aktiven Dienst, Wasser unter der Erde findet, dann kann er auch fünf Argentinier in den Bergen finden«, sagt der Oberst in dem Interview. Weil nämlich die Polizei, wenn sie irgendwo im Land einen Brunnen bohren muss, über Funk bei

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