mayday mayday ... eastern wings 610
Pilot. Er hatte die Führung über die Maschine. Die DC-10 wurde zwar vom Autopiloten geflogen, Heller oblag jedoch die Kontrolle. Er zuckte zusammen, so wie die beiden anderen in der Kanzel. Und wie sie zeigte er den gleichen ungläubigen, konsternierten Ausdruck. Gut, sie waren darauf vorbereitet, daß auf diesem Flug etwas schieflaufen konnte, aber das doch nicht! Dies war kein normaler Triebwerksausfall. Das mußte noch etwas ganz anderes sein …
Dekompression, hatte Heller zuerst gedacht. Eine Tür ist rausgeflogen. In der Kabine oder im Frachtraum. Und das heißt, nichts wie runter!
Oft genug hatten sie im Simulator derartige Situationen geübt und in den Lehrgängen darüber gesprochen. Doch der gefürchtete Windsturm, der bei einer Dekompression durch die Kabinen fegen sollte, begleitet von einem Nebel von Kondenströpfchen, blieb aus. Auch der Innendruck hatte sich nicht verändert. Die Klimaanlage arbeitete.
In der Sekunde, als Heller den Detonationskrach vernahm, was ihm sagte, daß etwas Schlimmes geschehen war, hatte er mit dem Daumen den Knopf an seinem Steuerhorn gedrückt, der den Autopiloten abschaltete.
Jetzt sah er es.
Sie sahen es alle.
Die mittlere der schmalen Säulen der Digitalanzeigen, die im Zentrum des Instrumentenbords die Motorleistungen angaben, war zusammengebrochen.
Das Triebwerk Nummer zwei. Also doch!
Kapitän Walker kannte den Satz der Checkliste auswendig, der für derartige Situationen galt: Er lautete: Engine damaged – Close the throttle ! Maschinenschaden – Throttle auf Leerlauf.
Er legte die Hand auf den Schubhebel der Nummer zwei und zog.
Er zog vergebens. Der Hebel klemmte.
Im Trainingscenter der ›United‹ und bei unzähligen anderen Gelegenheiten hatten sie Vorgehen, Handlungsweise und Schadenbehebungsstrategie in den unmöglichsten und extremsten Situationen durchgesprochen. Daß ein Gashebel klemmen würde, war nie Thema gewesen. Vergiß es!
Der nächste Schritt nach Checkliste: Treibstoffzufuhr abschalten!
Walker griff zum Hebel der Treibstoffzufuhr und wollte ihn nach unten ziehen.
Klemmte.
Zum Teufel! Nicht einmal dieser Hebel läßt sich bewegen, bleibt eisern blockiert! Walker holte tief Luft, um seine Konzentration gegen das Hämmern seines Herzens zu verteidigen. Was war mit der Scheißkiste los?
»Hal! Ich krieg' die Throttle nicht zu, auch das Treibstoffventil ist blockiert!«
Terney schob sich in den Raum zwischen den beiden Sitzen. Er hatte die Unterlippe zwischen die Schneidezähne gezogen und überlegte fieberhaft: Wenn der Schubhebel klemmte, ließ sich wohl nichts machen. Mit der Treibstoffzufuhr war es etwas anderes. Ihr System war mit der Löschanlage kombiniert. Bei Aktivierung der Löschanlage wurde die Treibstoffzufuhr automatisch gestoppt.
»TRW-2, Feuerlöscher aktivieren«, sagte Heller. »Probier's mal. Den Hebel.«
Walker probierte. Tatsächlich, der Hebel ließ sich ziehen. Die Anzeige meldete: Der Kerosinfluß war unterbrochen, die Feuergefahr damit gebannt.
Es war eine Minute seit dem Geräusch vergangen, das die Katastrophe ansagte. Es waren lange, vor allem unbegreifliche Sekunden.
In der dreizehnten Sekunde meldete Frank Heller: »Tom! Die Maschine ist außer Kontrolle! Sie läßt sich nicht fliegen.«
Walker warf den Kopf herum. Er fühlte, wie es über seinen Rücken kroch, etwas, das wie eine eiskalte, vibrierende Hand war. Ihm wurde sofort klar, was geschehen war: Frank Heller hatte mit dem Querruder die erste unvorhergesehene wilde Bewegung der DC-10 auszugleichen versucht. Die Steuersäule lag voll im Backbordanschlag. Und dazu hatte er instinktiv ihr Abtauchen zu korrigieren versucht und das Höhenruder so weit zurückgezogen, wie es ging. Er hatte das Horn praktisch im Schoß. Doch die Maschine befand sich in einer steilen Abwärtskurve nach Steuerbord! In seiner dreiundzwanzigjährigen Praxis hatte Walker so etwas nie gesehen, in keinem Alptraum nie geträumt. Die DC-10 hatte eine Neigung von achtunddreißig Grad eingenommen. Sie war dabei, sich auf den Rücken zu legen.
Was nun kam, geschah aus purem Instinkt. Zeit zu überlegen gab es nicht. Walker handelte blind, aus der Erfahrung seines Fliegerlebens. Seine Hand schoß zum Schubhebel des Backbordtriebwerks Nummer eins. Er ließ sich bewegen. Er zog ihn zurück, brachte die Leistung herunter, hatte bereits den Schubhebel Nummer drei umklammert, gab ihm volle Power. Die Steuerbord-Flügelspitze hob sich an, der Bug folgte, die DC-10 kam wieder in
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