McCreadys Doppelspiel
gewonnen. Wird Bailey zum Schweigen gebracht, und die Wahrheit wird ruchbar, fällt die Moral innerhalb der CIA auf einen absoluten Tiefpunkt, und er hat gewonnen. Entläßt die CIA ihn und streicht ihm seinen Pensionsanspruch, beteuert er seine Unschuld, und die Kontroverse schwelt jahrelang weiter. Auch in diesem Fall hat Orlow gewonnen. Sie müssen sie einfach zur Vernunft bringen.«
»Ich hab’s doch versucht. Die sind immer noch überzeugt, daß Orlows Material echt ist, pures Gold. Sie glauben ihm.«
Der Russe starrte in das schäumende Wasser unter dem Heck, während das Sanierungsgebiet der Dockland vorüberglitt, das damals noch ein Gewirr von Kränen und halb abgerissenen, verfallenen Lagerhäusern war.
»Habe ich Ihnen schon mal von meiner Aschenbecher-Theorie erzählt?«
»Nein«, sagte McCready, »ich glaube nicht.«
»Als ich Lehrer an der KGB-Schule war, habe ich meinen Studenten gesagt: Stellen Sie sich einen gläsernen Aschenbecher vor, der in drei Teile zerbrochen ist. Finden Sie einen der Teile wieder, wissen Sie nur, daß Sie ein Stück Glas in der Hand halten. Finden Sie zwei, wissen Sie, daß Sie zwei Drittel eines Aschenbechers haben, können aber immer noch nicht Ihre Zigarette ausdrücken. Um wirklich etwas damit anfangen zu können, brauchen Sie alle drei Bruchstücke des Aschenbechers.«
»Ja, und?«
»Alles, was Orlow bis jetzt geliefert hat, sind jeweils ein oder zwei Teile eines ganzen Sortiments von Aschenbechern. Er hat den Amerikanern tatsächlich noch keinen einzigen kompletten Aschenbecher gegeben. Irgendeine Top-Secret-Sache, die die UdSSR seit Jahren eifersüchtig hütet und nicht um alles in der Welt hergeben will. Bitten Sie sie, Orlow einem Härtetest zu unterziehen. Er wird ihn nicht bestehen. Aber wenn ich schließlich aussteige, bringe ich den ganzen Aschenbecher mit. Dann werden sie es glauben.«
McCready dachte nach. Schließlich fragte er:
»Was meinen Sie, kennt Orlow den Namen des Fünften Mannes?«
Keepsake überlegte.
»Fast mit Sicherheit, obwohl ich ihn nicht kenne«, sagte er. »Orlow war jahrelang im Illegalendirektorat. Ich nie. Ich habe immer von Botschaften aus operiert. Wir waren beide im Gedenkraum - das ist ein fester Bestandteil der Ausbildung. Aber im Gegensatz zu mir dürfte er das Schwarze Buch gesehen haben. Ja, er muß den Namen kennen.«
Tief im Innern der KGB-Zentrale am Dserschinski-Platz 2 liegt der Gedenkraum, eine Art Schrein in einem gottverlassenen Gebäude, der dem Andenken der großen Vorgänger der jetzigen Generation von KGB-Leuten gewidmet ist. Unter den dort aufgehängten >Heiligenbildern< sind auch die Porträts von Arnold Deutsch, Teodor Maly, Anatoli Gorski und Juri Modin, nacheinander Anwerber und Führungsoffiziere des schlagkräftigsten Spionagerings, den der KGB je aus britischen Staatsangehörigen aufgebaut hat.
Die Anwerbungen fanden hauptsächlich Mitte bis Ende der dreißiger Jahre unter jungen Studenten der Universität Cambridge statt. Sie alle hatten mit dem Kommunismus geflirtet, nicht anders als viele andere, die dann aber wieder davon abgekommen waren. Fünf jedoch blieben bei der Stange und leisteten Moskau so glänzende Dienste, daß sie dort bis zum heutigen Tage als die >Glorreichen Fünf< oder die >Fünf Sterne< bezeichnet werden.
Einer von ihnen war Donald Maclean, der nach seinem Abschluß in Cambridge zum Foreign Office ging. Ende der vierziger Jahre war er in der britischen Botschaft in Washington und half mit, Moskau Hunderte von Geheiminformationen über die neue Atombombe zuzuspielen, die Amerika in Zusammenarbeit mit den Briten entwickelte.
Ein anderer war Guy Burgess, ein Kettenraucher, Trunkenbold und rabiater Homosexueller, der sich viel zu lange dem Hinauswurf aus dem Foreign Office hatte entziehen können. Er fungierte als Laufbursche und Mittelsmann für Maclean und die Drahtzieher in Moskau. Beide wurden schließlich 1951 enttarnt, konnten sich aber dank einer Warnung der Verhaftung entziehen und setzten sich nach Moskau ab.
Der dritte war Anthony Blunt, ebenfalls homosexuell, ein überragender Kopf, der als Talentsucher für Moskau arbeitete. Als begabter Kunsthistoriker brachte er es außerdem zum Leiter der persönlichen Kunstsammlung der Queen und zum Ritter des Königreichs. Er war es, der 1951 Burgess und Maclean gewarnt hatte, ihre Verhaftung stehe bevor. Nachdem er eine ganze Reihe von Untersuchungen unbeschadet überstanden hatte, wurde er schließlich erst in den achtziger
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