McCreadys Doppelspiel
uns fünf verschiedene Informationen im Besitz des KGB genannt, die die Russen nie hätten bekommen dürfen. Und er hat dazugesagt, wann sie diese Information jeweils bekommen haben. Alle fünf Informationen waren nur Calvin Bailey und ein paar anderen bekannt.
Sogar seine Triumphe, die Erfolge, aufgrund derer er befördert wurde, verdankte Bailey Moskau; es handelte sich um echte Opfer des KGB, die Baileys Ansehen bei uns fördern sollten. Minstrel nennt vier erfolgreiche Operationen, die Bailey geleitet hat, und er hat recht. Allerdings behauptet er, Moskau habe sie allesamt geduldet, und ich fürchte, er hat auch damit recht, Joe.
Das sind insgesamt vierundzwanzig präzise Angaben, die wir Orlow entlockt haben, und einundzwanzig davon haben sich bestätigt. Bleiben noch drei, aus viel jüngerer Vergangenheit. Joe, als Orlow Sie seinerzeit in London anrief, mit welchem Namen hat er Sie da angeredet?« »Hayes«, sagte Roth.
»Ihr Einsatzname. Woher kannte er den?«
Roth zuckte die Achseln.
»Schließlich sind da noch die beiden Mordanschläge auf Agenten, die Orlow verraten hatte. Bailey hat Sie angewiesen, Orlows Material immer zuerst ihm zu schicken, persönlich und per Kurier, stimmt’s?«
»Ja. Aber das ist nichts Besonderes. Es war ein Sonderprojekt, also mit Sicherheit Material von großer Tragweite. Ganz normal, daß er es als erster sehen wollte.«
»Als Orlow diesen Briten verraten hat, Milton-Rice, hat das auch Bailey als erster erfahren?«
Roth nickte.
»Und die Briten erst drei Tage später?«
»Ja«.
»Und Milton-Rice war tot, bevor die Briten ihn hochnehmen konnten. Dasselbe bei Remjanz. Tut mir leid, Joe. Es ist wasserdicht. Die Beweise sind einfach überwältigend.«
Kellogg klappte seinen letzten Ordner zu und ließ Roth das vor ihm liegende Material betrachten; die Fotos, die Bankbelege, die Flugtickets. Es war wie ein vollständig zusammengesetztes Puzzlespiel, kein Teil fehlte. Sogar das Motiv, jenes grauenhafte Erlebnis in Vietnam, war plausibel.
Kellogg wurde entlassen. Der DCI sah Roth über den Tisch hinweg an.
»Was halten Sie davon, Joe?«
»Sie wissen ja, die Briten glauben nicht, daß Minstrel ein echter Überläufer ist«, sagte Roth. »Ich habe Ihnen bei meinem ersten Besuch hier berichtet, was man in London denkt.«
Gereizt machte der DCI eine wegwerfende Geste.
»Beweise, Joe. Sie haben sie um stichhaltige Beweise gebeten. Haben Sie welche bekommen?« Roth schüttelte den Kopf.
»Haben sie gesagt, sie hätten einen Mann in hoher Position in Moskau, der Minstrel verraten habe?«
»Nein, Sir. Sam McCready sagt, sie hätten keinen.«
»Na bitte, was soll dann das blöde Gerede«, sagte der DCI. »Die haben keine Beweise, Joe. Sie sind nur schlechte Verlierer und ärgern sich, daß sie Minstrel nicht selber bekommen haben. Das hier sind Beweise, Joe. Seiten um Seiten.«
Roth starrte wie benommen auf die Schriftstücke. Das Bewußtsein, eng mit einem Mann zusammengearbeitet zu haben, der seit vielen Jahren fortgesetzt und mit Vorsatz sein eigenes Land verraten hatte, traf ihn mit der Wucht eines Schlags in die Magengrube. Ihm war schlecht. Leise sagte er:
»Was soll ich tun, Sir?«
Der DCI erhob sich und ging in seiner gediegenen Bibliothek auf und ab.
»Ich bin der Direktor der Central Intelligence Agency. Ernannt vom Präsidenten persönlich. In diesem Amt habe ich die Aufgabe, dieses Land zu schützen, so gut ich kann. Vor all seinen Feinden. Denen im Innern ebenso wie denen im Ausland. Ich kann und werde nicht zum Präsidenten gehen und ihm eröffnen, daß wir schon wieder einen Skandal haben, noch dazu einen, neben dem alle bisherigen Affären dieser Art zu Lappalien verblassen. Nach der jüngsten Serie von Spionagefällen ist das einfach unmöglich.
Ich werde ihn nicht der Sensationsgier der Presse und dem Spott anderer Länder ausliefern. Es darf keine Verhaftung, kein Gerichtsverfahren geben, Joe. Das Verfahren hat hier stattgefunden. Das Urteil wurde gefällt. Die Strafe muß ich vollziehen. Gott helfe mir.«
»Was soll ich tun?« wiederholte Roth.
»Ich könnte mich zur Not dazu zwingen, Joe, mir keine Sorgen zu machen über den Vertrauensverlust, die verratenen Geheimnisse, das grassierende Mißtrauen, die am Boden liegende Moral, die Leichenfledderei der Medien, die hämischen Kommentare aus dem Ausland. Was mir aber nie aus dem Kopf gehen wird, sind die Bilder der verratenen Agenten, der Witwen und der Waisen. Für den Verräter kann es nur ein
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