McCreadys Doppelspiel
Jahren bloßgestellt, seines Titels entkleidet und unehrenhaft entlassen.
Der erfolgreichste von allen war Kim Philby, der in den SIS eintrat und bis zum Leiter der sowjetischen Abteilung aufstieg. Bei der Flucht von Burgess und Maclean im Jahre 1951 fiel der Verdacht auch auf ihn; er wurde verhört, gab nichts zu, wurde trotzdem aus dem SIS entfernt, setzte sich aber erst 1963 endgültig von Beirut aus nach Moskau ab.
Die Porträts aller vier Männer hängen im Gedenkraum. Es gab aber noch einen fünften, und das fünfte Porträt ist ein schwarzes Rechteck. Die wahre Identität des Fünften Mannes war nur im Schwarzen Buch vermerkt. Der Grund war einfach.
Den Gegner zu verwirren und zu demoralisieren ist eines der Hauptziele des Kriegs der Geheimdienste und war der Anlaß für die verspätete Einrichtung der Abteilung DD, die McCready leitete. Die Briten hatten seit Anfang der 50er Jahre gewußt, daß es in diesem vor so langer Zeit angeworbenen Ring einen Fünften Mann gegeben hatte, konnten aber nie nachweisen, um wen es sich gehandelt hatte. Das alles war Wasser auf Moskaus Mühlen.
Rund fünfunddreißig Jahre lang machte das Rätsel zu Moskaus Schadenfreude den britischen Geheimdiensten schwer zu schaffen, wozu eine sensationshungrige Presse und eine ganze Reihe von Büchern ihr Teil beitrugen.
Über ein Dutzend loyale, altgediente Mitarbeiter gerieten unter Verdacht, büßten ihre Aufstiegschancen ein und waren den verschiedensten Mißhelligkeiten ausgesetzt. Hauptverdächtiger war der inzwischen verstorbene Sir Roger Hollis, der zum Generaldirektor von MI-5 aufstieg. Er wurde zur Zielscheibe eines Monomanen vom Schlag James Angletons, des unsäglichen Peter Wright, der später ein Vermögen mit einem unglaublich langweiligen Buch verdiente, in dem er zum hundertsten Mal Klage über seine kleine Pension (dieselbe, wie sie jeder andere bekam) führte und seine Überzeugung äußerte, Roger Hollis sei der Fünfte Mann gewesen.
Auch andere wurden verdächtigt, darunter zwei von Hollis’ Stellvertretern und sogar der zutiefst patriotische Lord Victor Rothschild. Es war alles blühender Unsinn, aber das Rätselraten ging weiter. War der Fünfte Mann noch am Leben, womöglich noch im Amt, in hoher Position in der Regierung, im Staatsdienst oder in einem Geheimdienst? Nicht auszudenken. Man konnte die Sache erst auf sich beruhen lassen, wenn der Fünfte Mann, der vor so vielen Jahren angeworben worden war, endlich identifiziert werden konnte. Der KGB hatte das Geheimnis natürlich fünfunddreißig Jahre lang eifersüchtig gehütet.
»Sagen Sie den Amerikanern, sie sollen Orlow nach dem Namen fragen«, sagte Keepsake. »Er wird ihn nicht preisgeben, aber ich werde ihn herauskriegen und ihn mitbringen, wenn ich rüberkomme.«
»Was die Zeitfrage angeht«, sagte McCready, »wie lange können Sie sich noch halten?«
»Bestenfalls ein paar Wochen, vielleicht noch weniger.«
»Möglicherweise warten die nicht mehr so lange, falls Sie recht haben, was die Reaktion des DCI angeht.«
»Gibt es denn wirklich keine andere Möglichkeit, sie zu überreden, mit ihrem Vorhaben noch zu warten?« fragte der Russe.
»Doch, aber dafür brauche ich Ihre Zustimmung.«
Keepsake hörte mehrere Minuten lang zu. Er nickte.
»Wenn dieser Roth sein großes Ehrenwort gibt. Und wenn Sie überzeugt sind, daß er es halten wird, dann ja.«
Als Joe Roth am nächsten Morgen aus dem Flughafengebäude trat, nachdem er in der Nacht von Washington herübergeflogen war, war er müde und nicht bei bester Laune.
Er hatte in der Maschine zuviel getrunken und reagierte unwirsch, als dicht an seinem Ohr jemand etwas mit übertriebenem irischen Akzent sagte.
»Einen wunderschönen guten Morgen, Mr. Casey, schön, daß Sie wieder da sind.«
Er drehte sich um. Sam McCready stand dicht neben ihm. Dieser Mistkerl hatte offenbar die ganze Zeit von seinem >Casey<-Paß gewußt und die Passagierlisten in Washington überprüfen lassen, um ihm auf dem Flughafen auflauern zu können.
»Steig ein«, sagte McCready am Auto, »ich bring dich nach Mayfair.«
Warum nicht? Er fragte sich, was McCready sonst noch wußte oder erraten hatte. Der britische Agent redete nur über belangloses Zeug, bis sie die Außenbezirke von London erreicht hatten. Dann wurde er ohne Vorwarnung ernst.
»Wie hat der DCI reagiert?« fragte er.
»Ich weiß nicht, wovon du redest.«
»Also komm, Joe, Orlow hat Calvin Bailey beschuldigt. Das ist Bockmist. Du nimmst das doch
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