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McCreadys Doppelspiel

McCreadys Doppelspiel

Titel: McCreadys Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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eben die Spionagenetze verraten, an deren Aufbau und Führung er einst beteiligt gewesen war, vor allem in Zentral- und Südamerika, seinem damaligen Operationsgebiet.
    Wenn sich die Informationen eines neuen Überläufers als kontrovers herausstellen, bilden sich im Geheimdienst des Gastgeberlandes meist zwei Lager - die eine Gruppe glaubt dem neuen Überläufer und unterstützt ihn, die andere zweifelt an seiner Aufrichtigkeit und nimmt Partei gegen ihn. Der berüchtigtste Fall dieser Art in der Geschichte der CIA war der von Golizyn und Nossenko.
    Im Jahre 1960 lief Anatoli Golizyn zu den Amerikanern über und setzte alles daran, die CIA zu überzeugen, daß der KGB praktisch hinter allem gesteckt hatte, was seit dem Zweiten Weltkrieg irgendwo in der Welt schiefgegangen war. Golizyn zufolge gab es keine Infamie, vor der der KGB zurückschrecken würde oder die er nicht schon aus heckte. Das war Musik in den Ohren einer auf einen harten Kurs eingeschworenen Fraktion innerhalb der CIA, deren Anführer James Angleton, der Chef der Spionageabwehr, seinen Vorgesetzten seit Jahren die Machenschaften des KGB in ähnlich düsteren Farben geschildert hatte. Aus Golizyn wurde ein hochgeschätzter Star.
    Im November 1963 wurde Präsident Kennedy ermordet, offenkundig von einem Linksradikalen namens Harvey Oswald, der eine Russin geheiratet hatte und früher einmal in die UdSSR übergelaufen war und dort über ein Jahr lang gelebt hatte. Im Januar 1964 lief Juri Nossenko über, gab sich als Oswalds Führungsoffizier in Rußland aus und erklärte, der KGB, dem Oswald lästig geworden sei, habe alle Kontakte zu ihm abgebrochen und bei dem Attentat auf Kennedy nicht die Hand im Spiel gehabt.
    Golizyn, der Angleton hinter sich wußte, denunzierte unverzüglich seinen Landsmann, der daraufhin äußerst hart verhört wurde, dennoch aber nicht von seiner Darstellung abging. Der Streit spaltete die CIA auf Jahre hinaus und schwelte noch zwei Jahrzehnte lang weiter. Je nach der Antwort auf die Frage >Wer hatte recht und wer unrecht< wurden Karrieren aufgebaut und zerstört, denn es ist ein ehernes Gesetz, daß die Karriere derer, die einen größeren Erfolg verbucht haben, steil nach oben gehen muß.
    Im Falle von Pjotr Orlow gab es keine solche Fraktionierung und somit auch niemanden, der dem Mann, der den Überläufer herübergeholt hatte, seinen Ruhm streitig machte: Calvin Bailey, Leiter der Abteilung Sonderprojekte.
    Einen Tag nachdem Joe Roth mit Oberst Orlow in South Virginia Quartier genommen hatte, trat Sam McCready unauffällig durchs Tor des Britischen Museums in Bloomsbury und schlug den Weg zu dem großen kreisrunden Lesesaal unter der hohen Glaskuppel ein.
    Er wurde begleitet von zwei jüngeren Männern, Denis Gaunt, in den McCready seit einiger Zeit immer größeres Vertrauen setzte, und einem Mann namens Patten. Keiner von beiden würde das Gesicht von Keepsake zu sehen bekommen - das war nicht nötig und hätte sogar gefährlich werden können. Ihre Aufgabe bestand einfach darin, sich in der Nähe der Eingänge aufzuhalten, in den dort ausgelegten Zeitungen zu lesen und dafür zu sorgen, daß ihr Chef nicht von anderen Besuchern des Museums gestört wurde.
    McCready ging zu einem fast ganz von Bücherregalen eingeschlossenen Tisch und fragte den dort bereits sitzenden Mann höflich, ob er ihn störe. Der Mann, der sich über ein dickes Buch beugte und sich ab und zu Notizen machte, wies wortlos auf den Stuhl gegenüber und las weiter. McCready setzte sich und wartete. Er hatte einen Band bestellt, den er lesen wollte, und nach wenigen Minuten brachte ihm ein Angestellter das Buch und entfernte sich lautlos. Der andere Mann am Tisch hielt den Kopf gesenkt. Als sie allein waren, sprach McCready ihn an.
    »Wie geht’s Ihnen, Witali?«
    »Gut«, sagte der Mann leise und schrieb etwas auf seinen Block.
    »Was gibt’s Neues?«
    »Nächste Woche bekommen wir Besuch. In der Residentur.«
    »Aus der Moskauer Zentrale?«
    »Ja. General Drosdow persönlich.«
    McCready zeigte keinerlei Reaktion. Er las weiter in seinem Buch, und seine Lippen bewegten sich kaum. Niemand außerhalb der von Bücherregalen umschlossenen Enklave hätte das leise Murmeln verstehen können, und niemand würde in die Enklave eindringen. Dafür sorgten Gaunt und Patten. Aber der Name hatte ihn überrascht. Drosdow, ein kleinwüchsiger, untersetzter Mann, der dem verstorbenen Präsidenten Eisenhower verblüffend ähnlich sah, war Chef des

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