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McCreadys Doppelspiel

McCreadys Doppelspiel

Titel: McCreadys Doppelspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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recht.«
    »Dann finden Sie es raus, Joe. Finden Sie es raus«, sagte Calvin Bailey. Was er nicht zu sagen brauchte, weil es sich von selbst verstand: Wenn mit Oberst Pjotr Orlow tatsächlich etwas nicht stimmte, waren mit großer Wahrscheinlichkeit zwei Karrieren innerhalb des CIA im Eimer. Er stand auf.
    »Ich persönlich glaube, das ist Unsinn, Joe. Aber tun Sie, was Sie nicht lassen können.«
    Roth fand Orlow in seinem Quartier; er lag auf einem Sofa und hörte seine Lieblingsmusik. Obwohl er praktisch ein Häftling war, war die Ranch wie ein guter Country Club ausgerüstet. Abgesehen von den Waldläufen, bei denen sie stets von vier der jungen Athleten aus Quantico flankiert waren, standen ihm der Gymnastikraum, die Sauna und der Swimmingpool zur Verfügung, außerdem ein exzellenter Küchenchef und eine wohlbestückte Bar, von der er jedoch nur selten Gebrauch machte.
    Schon bald nach seiner Ankunft hatte er gestanden, daß er eine Vorliebe für die Popsänger der sechziger und frühen siebziger Jahre hatte. Roth hatte sich daran gewöhnt, daß jedesmal wenn er den Russen aufsuchte, Simon and Garfunkel, die Seekers oder die honigsüße Stimme Elvis Presleys aus dem Kassettenrecorder kamen.
    An diesem Abend klang die klare, kindliche Stimme von Mary Hopkin durch den Raum. Es war der Song, der sie berühmt gemacht hatte, ihr einziger Hit. Orlow sprang mit einem erfreuten Grinsen vom Sofa auf. Er zeigte auf den Recorder.
    »Gefällt es Ihnen? Hören Sie -«
    Roth hörte zu.
    »Those were the days, my friend, we thought they’d never end-«
    »Ja, sehr nett«, sagte Roth, der Jazz bevorzugte.
    »Wissen Sie, was das ist?«
    »Das war doch diese kleine Engländerin, oder?« sagte Roth.
    »Nein, nein. Nicht die Sängerin, die Melodie. Sie denken, es ist ein englischer Song, stimmt’s? Vielleicht von den Beatles.«
    »Ja, schon möglich«, sagte Roth, der jetzt auch lächelte.
    »Falsch«, triumphierte Orlow. »Das ist ein altes russisches Lied. Dorogoi dlinnoju da notschkoi lunnoju. In einer mondhellen Nacht an einer langen Straße. Wußten Sie das nicht?«
    »Nein, wirklich nicht.«
    Das muntere Liedchen ging zu Ende, und Orlow schaltete das Gerät ab.
    »Sollen wir noch ein bißchen reden?« fragte er.
    »Nein«, sagte Roth. »Ich wollte nur nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Ich gehe jetzt in die Falle. Es war ein langer Tag. Übrigens, wir fliegen demnächst nach England zurück. Die Tommies sollen auch Gelegenheit kriegen, mit Ihnen zu reden. Einverstanden?«
    Orlow runzelte die Stirn.
    »Ich habe mich bereit erklärt, hierher zu kommen, nur hierher.«
    »Keine Sorge, Peter. Wir werden ein paar Tage auf einem amerikanischen Luftwaffenstützpunkt untergebracht. Genaugenommen bleiben wir ständig auf amerikanischem Hoheitsgebiet. Ich komme mit, um Sie vor den großen bösen Briten zu schützen.«
    Orlow lächelte nicht über den Scherz.
    »Und Sie, gehen Sie auch ins Bett?« fragte Roth.
    »Ich bleib noch ein bißchen auf. Lesen, Musik hören«, sagte der Russe.
    Das Licht in Orlows Zimmer brannte dann noch bis halb zwei. Als das Mordkommando des KGB zuschlug, war es ein paar Minuten vor drei.
    Wie man Orlow hinterher sagte, hatten die Eindringlinge zwei Wachen am Zaun mit einer starken Armbrust erledigt und waren unbemerkt über den Rasen hinter dem Haus geschlichen und durch den Küchentrakt ins Haus gelangt.
    Das erste, was Roth und Orlow im ersten Stock hörten, war eine Salve aus einer Maschinenpistole im Erdgeschoß und dann Fußgetrappel, das die Treppe heraufkam. Orlow erwachte wie eine Katze, sprang aus dem Bett und war in drei Sekunden an der Tür. Er riß sie auf und sah aus dem Augenwinkel, wie die Nachtwache, einer der Männer aus Quantico, zur Haupttreppe rannte. Ein Maskierter in einem hautengen schwarzen Anzug, der schon halb die Treppe herauf war, feuerte kurz. Der Amerikaner wurde in die Brust getroffen. Er sackte blutüberströmt gegen das Geländer. Orlow schlug seine Tür zu und lief zum Schlafzimmer.
    Er wußte, daß die Fenster sich nicht öffnen ließen; da war kein Entkommen. Und er war auch nicht bewaffnet. Er erreichte das Schlafzimmer, als der Mann in Schwarz vom Gang her durch die Wohnungstür gestürmt kam, verfolgt von einem Amerikaner. Bevor Orlow sie zuschlug, sah er noch, wie der KGB-Killer sich umdrehte und dem Amerikaner hinter ihm eine Salve verpaßte. Dadurch hatte Orlow noch Zeit, die Tür zu schließen und den Riegel vorzuschieben.
    Aber es war nur ein kurzer Aufschub.

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