McCreadys Doppelspiel
Sekunden später wurde das Schloß zerschossen, und die Tür flog auf. In dem schwachen Licht, das aus dem Korridor ins Wohnzimmer fiel, sah Orlow, wie der KGB-Mann seine leere Maschinenpistole wegwarf und eine Makarov 9 mm Automatik aus dem Gürtel zog. Das Gesicht hinter der Maske konnte er nicht sehen, aber er verstand das russische Wort, und die Verachtung, mit der es ausgesprochen wurde.
Die schwarze Gestalt richtete die Makarov mit beiden Händen auf Orlows Gesicht und zischte: Predatel. Verräter.
Auf dem Nachttisch stand ein schwerer Aschenbecher aus geschliffenem Glas. Orlow benutzte ihn nie, weil er im Gegensatz zu den meisten Russen Nichtraucher war. Aber er stand immer noch da. Mit einer letzten Geste der Auflehnung packte er ihn und schleuderte ihn mit aller Kraft nach dem Kopf des russischen Killers. Dabei schrie er zurück: Padlo. Scheißkerl.
Der Mann in Schwarz wich dem durch die Luft sausenden schweren Gegenstand aus. Das kostete ihn einen Sekundenbruchteil. In diesem Augenblick trat der Leiter des Quantico-Sicherheitsdiensts ins Wohnzimmer und feuerte zweimal mit seinem schweren Colt .44 Magnum auf den Rücken der schwarzen Gestalt in der Schlafzimmertür. Der Russe wurde nach vorn geschleudert, und das Blut aus seiner aufgerissenen Brust bespritzte Teppich und Bett. Orlow machte einen Schritt nach vorne und trat dem Fallenden die Waffe aus der Hand, aber das war nicht mehr nötig. Keiner, der sich zwei Magnum-Geschossen in den Weg gestellt hat, kämpft weiter.
Kroll, der Mann, der geschossen hatte, ging durchs Wohnzimmer zur Schlafzimmertür. Er war bleich vor Wut und keuchte.
»Alles in Ordnung?« fragte er. Orlow nickte. »Irgendwer hat Mist gebaut«, keuchte der Amerikaner. »Es waren zwei. Zwei von meinen Männern sind erledigt, womöglich draußen auch noch welche.«
Joe Roth kam herein, im Schlafanzug.
»Mein Gott, Peter, tut mir leid. Wir müssen hier weg. Gleich. So schnell wie möglich.«
»Aber wohin?« wollte Orlow wissen. »Sie haben doch gesagt, hier sind wir sicher.« Er war bleich, aber gefaßt.
»Schon, aber anscheinend nicht sicher genug. Nicht mehr. Warum, müssen wir erst noch rauskriegen. Später. Ziehen Sie sich an. Packen Sie Ihre Sachen. Kroll, Sie bleiben bei ihm.«
Nur zwanzig Meilen von der Ranch war ein Armee-Stützpunkt. Langley regelte alles mit dem dortigen Kommandeur. Zwei Stunden später hatten Roth, Orlow und die übriggebliebenen Mitglieder des Quantico-Teams eine ganze Etage im Wohnblock für unverheiratete Soldaten belegt. Militärpolizei umstellte das Gebäude. Roth lehnte es sogar ab, auf der Straße hinzufahren; sie nahmen einen Hubschrauber, der direkt auf dem Rasen beim Offizierskasino landete und alle aufweckte.
Es war nur ein provisorisches Quartier. Noch ehe es Abend wurde, waren sie in einen anderen geheimen Stützpunkt der CIA in Kentucky umgezogen, der noch besser gesichert war.
Während Roth und Orlow mit ihrer Begleitung sich auf dem Armee-Stützpunkt befanden, fuhr Calvin Bailey erneut zur Ranch hinaus. Er wollte einen vollständigen Bericht. Er hatte schon mit Roth telefoniert, um sich dessen Version von den Ereignissen erzählen zu lassen. Er sprach zuerst mit Kroll, aber der Mann, auf dessen Aussagen es ihm vor allem ankam, war der >Russe< mit der schwarzen Maske, der Orlow auf kürzeste Entfernung gegenübergestanden hatte.
Der junge Offizier der Green Berets rieb sich das Handgelenk - er hatte einen Bluterguß an der Stelle, wo Orlow ihn mit dem Fuß getroffen hatte. Er hatte sich längst das falsche Blut abgewaschen, den schwarzen Turnanzug mit den zwei Löchern im Oberteil ausgezogen und das Geschirr abgenommen, das die winzigen Sprengladungen und die Beutel mit dem täuschend echten Blut enthalten hatte, das bis zum Bett gespritzt war.
»Was meinen Sie?« fragte Bailey.
»Er ist echt«, sagte der Russisch sprechende Offizier. »Außer es ist ihm egal, ob er lebt oder stirbt. Und das bezweifle ich. Die meisten hängen am Leben.«
»Er hat also keinen Verdacht geschöpft?« hakte Bailey nach.
»Nein, Sir. Ich hab’s in seinen Augen gesehen. Er hat geglaubt, er muß sterben. Aber er hat sich bis zum letzten Moment gewehrt. Ein toller Bursche.«
»Andere Möglichkeiten?« fragte Bailey. Der Offizier zuckte die Achseln.
»Nur eine. Wenn er kein echter Überläufer ist und dachte, er werde von seinen eigenen Leuten liquidiert, hätte er irgend etwas geschrien, um sich zu retten. Er hat es nicht getan, und wenn ihm irgendwas am
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