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McEwan Ian

McEwan Ian

Titel: McEwan Ian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbitte
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der alten County Hall. Als wir dort im Kreisverkehr Richtung Lambeth abbogen, konnte ich einen kurzen Blick auf das Krankenhaus St. Thomas werfen. Im Blitz hatte es mächtig gelitten – zum Glück war ich damals bereits woanders –, und die neuen Gebäude mit dem zentralen Hochhaus waren eine nationale Schande. Zu meiner Zeit habe ich in drei Krankenhäusern gearbeitet – im Alder Hey, dem Royal East Sussex und im St. Thomas –, und um das Erlebte an einem Ort zu bündeln, sind alle drei in meine Beschreibung eingeflossen. Eine praktische Verzerrung der Wirklichkeit und wohl das geringste meiner Vergehen an der Wahrhaftigkeit.
Es regnete nicht mehr ganz so schlimm, als der Fahrer mitten auf der Straße rasant den Wagen wendete und vor dem Haupteingang des Museums hielt. Da ich anfangs damit beschäftigt war, in meiner Tasche nach einem Zwanzig-Pfund-Schein zu kramen, und dann damit, den Regenschirm zu öffnen, fiel mir der unmittelbar vor uns parkende Wagen erst auf, als das Taxi wieder abfuhr. Es war ein schwarzer Rolls-Royce. Für einen Moment dachte ich, es säße niemand drin, doch der Chauffeur war nur ein kleiner Kerl, der hinter dem Steuer ziemlich verloren wirkte. Ich bin mir nicht sicher, ob das, was ich nun beschreiben will, tatsächlich als ungewöhnlicher Zufall gelten kann, denn ich denke oft an die Marshalls, wenn ich irgendwo einen Rolls ohne Fahrer sehe. Mit den Jahren ist es mir schon zur Gewohnheit geworden. Meist kommen sie mir in den Sinn, ohne irgendwelche besonderen Gefühle auszulösen. Ich habe mich daran gewöhnt, daß es sie gibt. Manchmal werden sie auch noch in den Zeitungen erwähnt, etwa im Zusammenhang mit ihrer Stiftung und deren guten Werken in der medizinischen Forschung, wegen der Kunstsammlung, die sie der Täte Gallery überlassen haben, oder wegen ihrer großzügigen Unterstützung landwirtschaftlicher Projekte im südlichen Afrika. Und dann sind da auch noch ihre Partys und die erbittert geführten Verleumdungsprozesse gegen die großen Tageszeitungen. Es war also keineswegs bemerkenswert, daß Lord und Lady Marshall in meinen Gedanken auftauchten, als ich mich den beiden riesigen Kanonen vor dem Museum näherte, doch war es ein Schock, sie vor mir die Treppe herunterkommen zu sehen. Ein Schwarm von Museumsbediensteten – ich erkannte nur den Direktor – ließ sich zum Abschied mit ihnen von einem Fotografen ablichten. Zwei junge Männer spannten Regenschirme über den Marshalls auf, als diese zwischen die Säulen traten, um die Treppe hinunterzugehen. Ich stockte, verlangsamte aber bloß meinen Schritt, statt stehenzubleiben und dadurch auf mich aufmerksam zu machen. Ein allgemeines Händeschütteln, dann wurde herzlich über irgendeine Bemerkung von Lord Marshall gelacht. Er stützte sich auf seinen Stock, jenen lackierten Bambusstab, der, wenn ich mich recht erinnere, so etwas wie sein Markenzeichen geworden war. Marshall, seine Frau und der Direktor posierten vor der Kamera, dann kam mir das Paar entgegen, begleitet von diesen jungen. Anzug tragenden Männern mit Regenschirmen. Die Museumsangestellten blieben auf der Treppe. Meine einzige Sorge war die Frage, welchen Weg die Marshalls einsrMagen würden, damit ich eine direkte Begegnung vermeiden konnte. Sie entschieden sich dafür, auf der für sie linken Seite um die Kanonen herumzugehen, also tat ich dasselbe.
Teils von den aufragenden Kanonenrohren und ihren Betonsockeln, teils von meinem schief gehaltenen Regenschirm verdeckt, entging ich ihrer Aufmerksamkeit, konnte sie selbst aber gründlich in Augenschein nehmen. Sie schritten wortlos vorbei. Er war mir von Fotos vertraut. Trotz der Leberflecke und der purpurnen Tränensäcke unter den Augen sah er nun doch noch wie ein grausam faszinierender Plutokrat aus, wenn auch irgendwie weniger geworden. Das Alter hatte sein Gesicht schrumpfen lassen und ihm jenes Aussehen beschert, zu dem ihm bislang immer etwas gefehlt hatte – der Knochenschwund meinte es gut mit ihm. Er war etwas tatterig und trat ein wenig plattfüßig auf, doch für einen Mann von achtundachtzig Jahren hielt er sich recht anständig. Man entwickelt einen Blick für derlei Dinge. Seine Hand hielt ihren Arm allerdings fest umklammert, und der Stock war keineswegs bloß Zierde. Es ist schon oft gesagt worden, wieviel Gutes er in der Welt getan hat. Vielleicht war er sein Leben lang bestrebt gewesen, seine Schuld zu tilgen. Vielleicht aber ist er auch gedankenlos vorangestürmt, dem Leben entgegen,

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