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McEwan Ian

McEwan Ian

Titel: McEwan Ian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbitte
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Robbie holte Jacke und Mütze aus dem Schlafzimmer. Briony sah den Unteroffiziersstreifen auf den Schulterklappen. Cecilia sagte zu ihm: »Damit ist er unangreifbar. Sie wird ihn immer decken.«
Mehrere Minuten verschwendeten sie mit der Suche nach ihren Lebensmittelkarten. Schließlich gab Cecilia auf und sagte zu Robbie: »Bestimmt liegen sie im Cottage in Wiltshire.« Als sie gehen wollten und Robbie die Tür für die Schwestern aufhielt, sagte er: »Ich schätze, Vollmatrose Hardman hat eine Entschuldigung verdient.«
Mrs. Jarvis ließ sich nicht blicken, als sie an ihrer Wohnzimmertür vorbeigingen. Aus dem Radio ertönte Klarinettenmusik. Dann öffneten sie die Haustür, und Briony glaubte, in einen neuen Tag hinauszutreten. Es blies ein kräftiger, sandiger Wind, und im Licht der Sonne, die noch heller als zuvor zu leuchten schien, zeichnete sich scharf die beinahe schattenlos vor ihr liegende Straße ab. Der Bürgersteig war nicht breit genug, um zu dritt nebeneinander gehen zu können. Robbie und Cecilia folgten ihr, Hand in Hand. Briony spürte, wie die Blase an ihrer Ferse am Schuh scheuerte, wollte aber auf keinen Fall vor den beiden hinken. Ihr war, als würde sie des Grundstücks verwiesen. Einmal drehte Briony sich um und erklärte, sie könnte durchaus auch allein zur Untergrundbahn laufen, aber sie bestanden darauf, sie zu begleiten. Vor Robbies Abreise mußten noch einige Einkäufe erledigt werden. Stumm gingen sie weiter. Belangloses Geplauder kam nicht in Frage. Briony wußte, sie hatte kein Recht, ihre Schwester nach der Adresse zu fragen, sich bei Robbie zu erkundigen, wohin er fahre oder was es mit dem Cottage in Wiltshire auf sich hatte. Ob die Glockenblumen von dort stammten? Bestimmt hatten sie dort einige Schäferstündchen verlebt. Sie konnte die beiden auch nicht fragen, wann sie sich wiedersehen würden. Zu dritt – sie, ihre Schwester und Robbie - hatten sie nur ein einziges Thema, und das ruhte fest verankert in der unveränderlichen Vergangenheit. Sie standen vor der Untergrundstation Balham, die drei Monate später im Blitz auf so schreckliche Weise von sich reden machen würde. Ein dünnes Rinnsal samstäglicher Einkäufer umspülte sie und drängte sie gegen ihren Willen enger zusammen. Kühl wünschten sie sich Lebewohl. Robbie erinnerte sie daran, Geld mitzunehmen, wenn sie zum Notar ging. Und Cecilia sagte, sie solle die Adressen nicht vergessen, wenn sie nach Surrey fahre. Dann war es vorbei. Robbie und Cecilia starrten sie an, warteten darauf, daß sie ging. Doch da gab es noch etwas, das sie ihnen sagen mußte.
»Es tut mir sehr, sehr leid«, sagte sie langsam. »Ich habe euch schrecklichen Kummer zugefügt.« Sie starrten sie weiterhin unverwandt an, und Briony wiederholte sich. »Es tut mir sehr leid.«
Es klang so läppisch und unangemessen, fast, als hätte sie eine geliebte Topfpflanze umgestoßen oder einen Geburtstag vergessen.
Leise erwiderte Robbie: »Mach einfach, worum wir dich gebeten haben.«
Es klang beinahe versöhnlich, dieses »einfach«, doch nicht ganz, noch nicht.
»Natürlich«, sagte sie, wandte sich dann um, ging und spürte ihre Blicke im Rücken, als sie durch die Eingangshalle lief und an den Schalter trat. Sie bezahlte die Fahrt bis zur Waterloo Station. Kurz vor der Sperre schaute sie sich nach ihnen um, aber sie waren verschwunden.
Sie zeigte ihre Fahrkarte vor und ging durch schmutziggelbes Licht zu dem quietschenden, rasselnden Fahrstuhl, der sie hinabtrug in den unnatürlichen, aus schwarzem Schlund aufsteigenden Lufthauch, den Atem einer Million Londoner, der ihr Gesicht kühlte und an ihrem Mantel zupfte. Reglos stand sie da, ließ sich hinabtragen und war froh, daß sie sich bewegte, ohne ihre Ferse aufscheuern zu müssen. Überrascht merkte sie, wie beschwingt ihr zumute war und daß sie sich nur ein klein wenig traurig fühlte. War sie enttäuscht? Schließlich hatte sie kaum erwarten können, daß man ihr verzieh. Eher empfand sie wohl eine Art Heimweh, obwohl sie nicht wußte, wonach, da es kein Zuhause mehr gab. Doch es machte sie traurig, ihre Schwester verlassen zu müssen. Sie vermißte sie, ihre Schwester – vielmehr sie beide, ihre Schwester zusammen mit Robbie. Ihre Liebe. Weder sie selbst noch der Krieg hatten ihr etwas anhaben können. Und das tröstete sie, während sie tief hinab unter die Stadt sank. Wie Cecilia ihn mit ihren Augen angelockt hatte. Diese Zärtlichkeit in der Stimme, als sie ihn zurückrief aus seinen

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