Mecklenburger Winter
empfinde und ja, auch du für mich - denn dessen konnte sich Kai nun wenigstens sicher sein .
„Aber ich ...“ Leon hatte sich von Kai gelöst und sah ihn angespannt an. „Ich meine, wenn du mehr willst, ich … ich ...“ Hilflos brach er ab. Kai zwang sich zu einem Grinsen, schluckte alle unanständigen Wünsche und Ideen hinab, die ihm sein triebgesteuertes Unterbewusstsein sandte. „Ich will nur, was du auch möchtest“, erklärte er und korrigierte sich: „Falsch. Was ich gerade möchte und zwar ohne lästige Zuschauer und auch ohne jeden Hintergedanken, wäre … vielleicht ein Kuss?“ Gegen Ende war seine Stimme doch unsicher geworden. Ging er wieder einmal zu forsch vor? Konnte er darum bitten? Würde Leon dies zulassen?
Zögernd kam Kais Hand hoch, berührte dessen Kinn. Lächelnd strich er über die warme Haut.
„Du weißt doch, mein letzter, leidenschaftlicher Kuss hat dich nicht so recht überzeugen können. Vielleicht probierst du, ob du es besser kannst?“ Augenblicklich erstarrte Leon und Kai wollte sich schon betroffen zurückziehen, da hob Leon seine Hand und legte sie wahrhaftig an Kais Wange. Dieser konnte nicht anders, schloss für einen Moment die Augen und überließ sich der süßen Berührung.
Dies war wie sein Traum. Nein, wie jener Moment, den sie geteilt hatten. Eindeutig: Dieses Mal war er wach, saß mit Leon auf dem Sofa und sie berührten sich. Zwar noch völlig unschuldig, aber völlig egal.
„Ich weiß nicht ...“, begann Leon zaghaft und flüsterte: „... wie das geht. Also ...“
„Ganz einfach.“ Kais Lebensgeister kehren mit der Aussicht auf einen Leonkuss fröhlich zurück an die Arbeit. „Du benutzt diese hier“, Kai tippte mit dem Zeigefinger gegen Leons Lippen, „und drückst sie auf diese hier.“ Er deutete auf seine Lippen und grinste verschmitzt. „Glaub mir, die Dinger sind nicht nur dazu gut, trocken und wund zu sein oder sie sich am heißen Tee zu verbrennen. Ungeahnte Fähigkeiten stecken darin. Die können viel mehr, als du bislang geglaubt hast. Lass sie nur machen, die wissen, wozu manche Menschen sie benötigen.“
Leon schmunzelte und stieß Kai an. „Verarsch mich nicht“, brummte er, wurde sofort wieder ernst und leckte sich nervös über die Lippen. Langsam näherte er sich Kais Gesicht. Sein Adamsapfel hüpfte wild unter den Schluckbewegungen. Kai hielt einfach still, den Blick unverwandt auf Leons Mund gerichtet. Rot, weich, so köstlich. Er wusste, wie sie schmeckten, wie sie sich anfühlten. Und er sehnte sich danach, sie erneut zu kosten. Hunger! Durst, johlte es in ihm. Nahrung, Trinken, das ist nichts gegen diese Sehnsucht nach seinen Lippen, nach der behutsamen Berührung dieser weichen, feuchten Haut.
Leon zögerte Millimeter vor dem Ziel, seine Hand an Kais Wange bebte unter der Anspannung seines Körpers. Rang er mit sich? Kai lechzte nach diesem Kuss, verlor zusehend seine Beherrschung. Gott, wenn er nicht gleich zu Potte kommt, dann reiße ich ihn an mich, werfe ihn auf das Sofa und zeige ihm gottverdammt noch einmal, wozu Lippen da sind und wie man damit küsst.
Wie ein sanfter, kaum wahrnehmbarer Hauch, die Andeutung eines kühlen Windes, berührten Leons Lippen seine. Kaum spürbar, extrem vorsichtig. Nur eine winzige Nuance verstärkte er den Druck, dann schien er sich bereits zurückziehen zu wollen, doch Kais Hand wanderte augenblicklich in seinen Nacken, erlaubte ihm keine Flucht, keinen Rückzug mehr. Kais Mund öffnete sich, seine Lippen verschlangen die anderen. Gleich einem lang entbehrten Lebenselixier sog er ihren Geschmack, ihre Konsistenz ein.
Leon ließ es zu, öffnete seinerseits den Mund und traute sich, aktiver zu werden. Seine Hand hörte auf zu beben, wanderte stattdessen streichelnd über Kais Wange. Er legte nun auch seine andere Hand an dessen Gesicht, rahmte es ein. Vielleicht brauchte er den Halt. Langsam wurde er mutiger, ließ sich von Kais Zunge zurückschieben und wagte sich selbst weiter vor. Ein wenig unbeholfen, ein bisschen linkisch, dennoch wild entschlossen.
Ganz gewiss war es nicht der sinnlichste Kuss des Jahrhunderts. Aber welcher Verdurstende fragte schon nach dem Geschmack des Wassers, wenn er kurz vor dem Verenden welches bekam? Kai fragte nicht, er genoss, sog den Kuss ein, inhalierte ihn.
Leon! Leon! Leon, hallte es in seinem Kopf wieder. Seine Finger fuhren durch dessen Haare, als ob sie noch begreifen müssten, dass er echt, real und küssend bei ihm saß. Oh ja!
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