Mecklenburger Winter
muss Leon das wissen? Bestimmt bediente Kai damit ein weiteres Schwulenklischee.
Leon sah ihn unverwandt an, den Mund kaum merklich geöffnet.
„Weißt du, ich ...“ Erneut rang Kai nach Worten und kam sich höchst lächerlich vor. Er war ein erwachsener, lebenslustiger und ja, schwuler Mann. Bislang hatte er sich nie vor jemandem rechtfertigen müssen, wie und was er war. Nun ja, bislang war ihm auch noch nie jemand so wichtig gewesen, wie Leon. „Nun ja, ich habe eine ganze Weile eben ein bisschen ... naja, viele Bekanntschaften gehabt“, erklärte er ausweichend. Leon schaute ihn komisch an. Die graugrünen Augen groß und fragend.
„Naja, nichts Ernstes eben. Ich ...“ Oh Mist, was wird Leon denn von mir denken? Kai kam daher, wie ein schwanzgeiler Playboy. Und dann noch Joschi, der das Bild vollkommen gemacht hatte. Großartig!
„Mir ist eben noch nie der Richtige über den Weg gelaufen“, versuchte Kai hilflos und lächelte verlegen. „Und wenn, dann ...“ Erschrocken brach er ab. War er zu weit gerudert? Er verfluchte sein Temperament, seine lose Zunge. Jeder Schritt zu weit vorgewagt, konnte schnell drei zurück bedeuten. Auf gar keinen Fall wollte er zerstören, was sich so zart zwischen ihnen entspann. Und er wollte auch nicht an seinen letzten Fehlversuch in Sachen Liebe erinnert werden.
„Dann?“, hakte Leon nach. Sein Atem hatte sich beschleunigt und er wirkte seltsam erwartungsfroh. „Ich kann treu sein“, behauptete Kai hastig und lege jede Inbrunst hinein, zu der er fähig war. „Es geht mir nicht nur um Sex.“ Dir wäre ich immer treu, dachte Kai sehnsüchtig, wagte es nicht, diese Worte über die Lippen zu lassen. Das war ganz bestimmt ein Schritt zu weit nach vorne. „Es muss eben der Richtige sein“, fügte er vorsichtig hinzu, sich nicht sicher, ob das als zu großer Schritt galt. Scheinbar nicht, denn Leon lächelte nur. „Wollen wir … noch einen Film schauen?“, schlug Kai, fern seiner eigentlichen Sehnsüchte, vor. „Gerne!“ Leon sprang auf und räumte das Geschirr zusammen. Als er an Kai vorbei ging, konnte dieser nicht anders, griff nach seinem Arm. Überrascht stockte er und sah Kai verunsichert an.
„Ich habe wilde Zeiten hinter mir, aber das ist längst vorbei. Ja, ich habe fast alles gepoppt, was nicht schneller oder weiter laufen konnte als ich und das waren verdammt wenige“, sprudelte er hervor. „Ich habe mit Joschi rumgemacht und mit fast jedem anderen, gutaussehendem Kerl, der mir über den Weg gelaufen ist. Scheiße ja.“ Kai sprach immer schneller, hielt Leons Arm umklammert, wie den letzten Halt in einem Sturzbach aus Entschuldigungen und Rechtfertigungen. „Aber das war, bevor ich hierher gezogen bin. Hier ist es anders. Ich bin anders. Okay, ja, ich habe dich auch ganz schön unverschämt angebaggert, aber hey, du sahst so was von zum Anbeißen toll aus in diesen engen Hosen und dein Haar und deine Augen haben mich ganz verrückt gemacht. Da konnte ich nicht widerstehen.“ Kai holte hastig Luft. Die Worte sprudelten aus einer undichten Stelle seines Verstandes hervor, das Leck zu groß, nichts hielt sie mehr auf.
„Aber ich hab dich nie nur flachlegen wollen“, schwor Kai. „Du warst gleich etwas besonders für mich. Mann, Leon, guck mich nicht so verlegen an. Ich werde immer schwach, wenn du mich so anschaust. Meine Knie zittern, mein Herz stellt einen neuen Streckenrekord auf und ich bin nur ein sabberndes Häufchen schmelzenden Schnees. Völlig unzurechnungsfähig, meinen Trieben erliegend.“ Kai ging der Atem aus. Prompt lockerte er den Griff und senkte den Blick.
„Scheiße“, entkam es ihm. Wenn das nicht mindestens ein Kilometer zu weit vorgeprescht war. Idiot! Du dämlicher Volltrottel! Wenn Joschi es nicht schon kaputtgemacht hat, bravo, dann hast du es gerade geschafft.
Leons Arm spannte sich nicht an. Er riss sich auch nicht los und Kai wagte es, den Blick zu heben. Leon wirkte höchstens ein wenig perplex. Vielleicht wartete er noch die Folgen der Flutwelle ab. Kai verzog den Mund zu einem Lächeln.
„Ist so“, nuschelte er und ließ endlich Leons Arm los. Dieser lächelte. Es begann kaum merklich in seinen Augen, hob die Mundwinkel minimal an. Ein eigenartig sanftes, zartes Lächeln. „Das habe ich schon gemerkt“, sagte er so leise, dass es fast geflüstert war. Kais Lächeln wurde breiter, verschwand auch nicht, als sie gemeinsam ins Wohnzimmer hinübergingen.
Leon suchte einen Film aus; Kai war herzlich
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