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Mecklenburger Winter

Mecklenburger Winter

Titel: Mecklenburger Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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hinüber.
    „Du willst mich doch nicht ernsthaft hier an diesem menschenleeren Bahnhof im Nirgendwo aussetzen?“, wagte Joschi einen letzten Versuch und musterte die leeren, mit Brettern vernagelten Fenster des Bahnhofsgebäudes mit misstrauischem Blick. „Wenn hier kein Zug fährt, erfriere ich.“
    „Mach dir halt heiße Gedanken“, schlug Kai ungerührt vor. „Das kannst du doch so gut.“ Joschi warf ihm einen letzten Blick zu und stieg aus. Etwas versöhnlicher, intuitiv mitzitternd, in Anbetracht von Joschis wenig passender Kleidung meinte Kai: „Alle zwei Stunden fährt einer nach Hamburg.“
    „Na toll.“ Joschi stampfte zwei Schritte durch den matschigen Schnee und bleib unentschlossen stehen. Er lehnte sich nochmal ins Auto und nickte Kai zu. „Ich wünsche dir alles Gute mit dem Kleinen.“ Zum ersten Mal klang seine Stimme ernst, ja sogar unverstellt und ehrlich. Sogar ein minimales Lächeln lag auf den schön geschwungenen Lippen.
    „Leb wohl Joschi.“ Kai winkte ihm zu. Dieser machte eine wegwerfende Handbewegung, schlug die Autotür zu und stiefelte zum Bahngleis hinüber, traf zielsicher zwei matschige Pfützen, die unter der dünnen Schneedecke verborgen lagen. Kai zögerte nur einen kurzen Moment, startete den Wagen und fuhr langsam vom Parkplatz. Den bin ich los. Endlich. Vorfreude rann warm durch seine Adern. Wenigstens ein paar Stunden konnte er noch mit Leon verbringen, bevor er ihn heimbringen musste. Danke Joschi.  
    Leon hatte nicht nur den Tisch gedeckt, er hatte sogar aufgeräumt. Alles Geschirr war bereits abgewaschen und eingeräumt und Kais Wohnzimmer zeigte keine einzige Spur des gestrigen Abends.
    „Wow!“ Kai war echt beeindruckt. Leon war schon etwas Besonderes. Ob er zuhause auch so tüchtig war? Ganz bestimmt nicht, denn bei dem Vater durfte er vermutlich nicht mal in der Küche helfen. Zu unmännlich.
    Kai hängte seine Jacke auf und entledigte sich seiner Schuhe. Leon saß in der Küche und lächelte ihn an. „Ich habe die Brötchen warmgestellt“, erklärte er und deutete auf zwei Handtücher zwischen denen Kai tatsächlich warme Brötchen fand. Leon hatte dem Badezimmer auch einen Besuch abgestattet, denn seine Haare waren ordentlich frisiert und ein frischer Duft umgab ihn.
    „Tut mir leid, Joschi ist ein bisschen ...“, begann Kai, zuckte unbestimmt mit den Achseln. Aufdringlich, sexhungrig, im falschen Film, auf dem verkehrten Dampfer, nicht mehr up to date? Alles passte, aber was wusste Leon schon von Kais wilder Vergangenheit. Zum Glück nicht viel.
    „Schon gut“, meinte dieser lächelnd und schenkte ihm Tee ein. Seufzend ließ Kai sich auf seinen Stuhl sinken. Wie gerne hätte er exakt da weitergemacht, wo sie gestern aufgehört hatten. Leider traute er sich nicht und wusste er, wie es in Leon aussah? Vielleicht bereute dieser schon, ihm so entgegen gekommen zu sein. Im Tageslicht war alles anders.
    Kai aß sein Brötchen, warf immer wieder vorsichtige Blicke zu Leon. Wie sollte er nun weiter vorgehen? Durfte er den nächsten Schritt wagen? Wie weit, wie viel, wie durfte er sich Leon nähern? Verdammt ist das kompliziert. Joschi hatte schon Recht: Früher war es einfacher gewesen, da war er schnurgerade losmarschiert, wenn ihm jemand gefallen hatte.
    Leon leckte sich über die Lippen und hob den Kopf. Er musterte Kai einige Sekunden lang, holte mehrfach Atem, dann fragte er leise: „Hast du mit ihm ...?“ Mehr wagte er offenbar nicht anzudeuten, senkte den Blick rasch und griff nach seiner Tasse. „Geschlafen?“, vollendete Kai die Frage. Zögerlich nickte Leon.
    Ach herrje. Kai schluckte hart. Eine solche Frage hatte er wirklich nicht erwartet. Schon gar nicht von Leon. Wobei … stimmt, gestern war es ihm so vorgekommen, als ob Leon Joschi ab und an vielleicht ein wenig eifersüchtig angesehen hätte. Da hatte Kai es noch verworfen, aber nach dem, was letzte Nacht passiert war ...
    Auf geht es! Wahrheit siegt, feuerte er sich an. Und es interessiert Leon, das ist doch auf jeden Fall ein gutes Zeichen!  
    „Ja, ein oder zwei Mal“, druckste Kai herum. Was würde Leon von ihm halten? Mit so jemandem wie Joschi im Bett zu landen warf ganz bestimmt kein gutes Licht auf ihn selbst. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann war er damals auch ganz schön unbekümmert damit umgegangen.
    „Ich … weiß es nicht mehr so genau.“ Kai holte tief Luft. Mist wie klingt das denn? So wie es ist. Du hast dich ganz munter durchs Leben gevögelt. Sollte,

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