Mecklenburger Winter
empört an. „Das mache ich doch gerne und völlig ohne Hintergedanken für meinen weltbesten Chef.“
Kai sah ihr nach und kam zu der Ansicht, mit Angie einen wirklichen Glücksgriff gemacht zu haben. Abermals seufzend erhob er sich und wagte sich zur Tür, von wo aus er einen verstohlenen Blick zu Leon warf. Oh Mann, wieso muss er auch so fantastisch aussehen? Kai erinnerte sich genau an das berauschende Gefühl der ihn erkundenden Hände und wünschte sich zurück in jenen kostbaren Moment in seiner Wohnung. Sowohl hier als auch auf dem Turnier war Leon zurückhaltend und vorsichtig gewesen und auch Kai hatte jede Geste, jede Mimik genau erwogen. Es war ein Balanceakt über Glatteis oder vielleicht eher ein Tanz auf einer brüchigen Eisdecke durch die sie, vor allem er, jederzeit zu brechen drohten. Er wollte sich ja zurückhalten, er wollte sich in Geduld üben, aber es war so verdammt schwer.
Der Muskelprotz am anderen Ende des Raumes war zu dem weisen Entschluss gekommen, die Maschine nicht weiter herauszufordern und auf dem Weg in die Dusche. Auch die anderen Kunden schienen ihr Training zu beenden. Kai begab sich auf einen neuen Rundgang.
Ob Leon wirklich länger bleiben würde? Würde er riskieren, mit Kai alleine zu sein? Würde er sich küssen, vielleicht anfassen lassen? Kais Herz schlug immer schneller, je leerer der Raum wurde. Leon machte keine Anstalten, zum Ende zu kommen, obwohl Kai glaubte, dass er ein paar Mal in seine Richtung sah. Angie unterhielt sich mit den letzten Kunden und nickte Kai ein paar Mal aufmunternd zu. Er wagte sich jedoch erst näher an Leon heran, als auch der letzte Kunde in der Umkleidekabine verschwand.
„Du bist ja eifrig.“ Kai lehnte sich gegen den kühlen Metallrahmen und senkte die Stimme: „Dabei ist nichts an dir, was noch besser werden müsste.“ Abrupt kam Leon ins Stocken und beendete seine Arbeit. „Findest nur du“, meinte er ebenso leise. „Und du bist eindeutig voreingenommen.“ Hastig sah er sich um, doch der Raum war leer und Leon traute sich, ihm zuzuzwinkern.
„Bin ich wohl“, gab Kai unumwunden zu. „Ich mag dich so, wie du bist und glaub mir, es juckt mich die ganze Zeit schon in den Fingern, dir zu zeigen, wo du noch Muskeln hast.“ Ein verschmitztes Lächeln erschien auf Leons Gesicht und nach einem abermalig, sichernden Blick in den Raum und auf Kais Schritt meinte er: „Sieht man dir heute gar nicht an.“ Kai grinste breiter. So gefiel ihm Leon. Langsam taute dieser auf und wurde mutiger.
„Noch nicht“, meinte er und wagte sich auf das dünne Eis vor. „Wenn du gleich duschen gehst, wird alleine die Vorstellung, wie du dich in den Wasserstrahl stellst, mir Probleme bereiten.“ Das Lächeln gefror für einen winzigen Moment. Leons Augen weiteten sich Sekundenbruchteile, dann lachte er. „Oh Mann. Kai du bist echt eine Marke für sich.“
„Bin ich.“ Kai richtete sich auf und drückte die Brust heraus. „Ein echtes Hamburger Original. Naja, fast Hamburg.“
„Die steife Brise ist bei dir aber verrutscht“, konterte Leon, verschluckte sich selbst beinahe an seinen Worten. Lächelnd strich sich Kai über seinen Schritt. „Da hast du wohl leider Recht“, gab er gespielt zerknirscht zu. „Da ist irgendwas falsch gelaufen.“ Er beugte sich näher heran, leckte sich über die Lippen und trat entschlossen einen weiteren Schritt auf das unbekannte Eis hinaus. „Vielleicht sollten wir gemeinsam duschen gehen und was dagegen tun? Ich würde dir auch gerne behilflich sein, deine Steifheiten wegzumassieren.“ Augenblicklich senkte Leon den Blick und seine Ohren färbten sich. Er sah sich sichernd um, aber sie waren alleine, alle anderen waren Duschen oder sich Umziehen. Die Hände ballten und entspannten sich. Kai konnte den rasenden Herzschlag förmlich hören, die Zweifel, die Leon hin und her zerrten.
Würde er den Schritt wagen? Traute er sich mit auf die spiegelglatte Fläche vor? War er waghalsig genug, so risikofreudig, wie Kai ihn auf dem Turnier erlebt hatte?
„Ich ... Was wenn uns dabei ...“, begann Leon mit leiser, leicht bebender Stimme und wurde von Angie unterbrochen, die ihnen vom Eingang her zurief: „Kai? Kannst du heute abschließen? Ich muss zügig los.“ Perfektes Timing. Kai knutschte Angie in Gedanken ab. „Klar doch. Ich mache hier dicht. Muss ohnehin Leon noch heimfahren. Bis morgen dann.“ Lässig winkte er ihr zu, verbarg das nervöse Zittern seiner Finger gekonnt. Das dünne Eis trug sie
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