Mecklenburger Winter
nochmal seid ihr Männer kompliziert.“ Sie seufzte übertrieben laut und erhob sich. „Weil ihr so vielleicht noch eine Chance habt, wenn einer von euch mal seinen männlichen Stolz hinabschluckt? Oh Mann, wie funktionieren bloß schwule Beziehungen, wenn man es gleich mit zwei solchen Sturköpfen zu tun hat? Mir reicht ja schon einer von der Sorte, der nie den Mund aufmacht, wenn was ist.“ Kopfschüttelnd verzog sie sich zur Rezeption und überließ Kai und die widerspenstige Schraube ihrem Schicksal.
Zwanzig Minuten später musste Kai zähneknirschend seine Niederlage eingestehen und fühlte sich von der zwar sichtlich angeschlagenen Schraube höhnisch ausgelacht, dennoch hatte sie das Feld nicht geräumt. Keine Chance, da würde jemand ran müssen, der das ganze Gerät auseinandernahm. Oder besser: ein neues musste her. Verflucht, das waren Kosten, mit denen er nicht gerechnet hatte und die zum unpassenden Zeitpunkt kamen. Derzeit lief echt alles schief. Tagsüber dieser Mist hier und in der Nacht schlief er unruhig und träumte dauernd von graugrünen Augen und einem Lächeln, dem Duft von Heu. Alles Scheiße.
„Kai?“ Angie stand im Türrahmen und winkte ihn heran. „Kommst du bitte mal? Hier ist ein Herr Lenkowski für dich.“ Ein Stromschlag hätte kaum wirkungsvoller sein können. Leon , schoss es Kai als erstes durch den Kopf. Der Gedanke wurde jedoch sofort abgeschmettert, denn Angie kannte dessen Vornamen und er glaubte nicht daran, dass sie sich einen Scherz mit ihm erlaubte. Zudem war da kein verschmitztes Grinsen auf ihrem Gesicht. Leons Vater vielleicht? Was wollte der hier? Steifen Schrittes ging Kai nach vorne und wischte sich die Hände flüchtig an der Hose ab. Er würde sich verdammt beherrschen müssen, wenn er diesem gegenübertreten musste. Was machte der hier? Was wollte er? Ging es um Leon?
Ein kräftiger Mann stand an der Rezeption und wandte Kai den Rücken zu. Kurze, stoppelige Haare, breite Schultern, ein wenig bullig, gekleidet in Jeans und ein verwaschenes Shirt. Das war nicht Burghardt. Und als er sich umdrehte, erkannte Kai ihn, auch wenn er ihn noch nicht gesehen hatte: Bodo. Das musste Leons Bruder sein. Dieselben graugrünen Augen blickten Kai aus einem runden Gesicht mit ungleichen Bartstoppeln entgegen. Verlegen drehte der junge Mann ein Baseballcap in den kräftigen Händen. Ein Hauch von Stallduft lag in der Luft, anders als der würzige Pferde- und Heuduft, schärfer und unangenehmer. Er arbeitet in der Schweinemast, erinnerte sich Kai.
„Tachschön“, begrüßte er Kai nuschelnd und streckte diesem hastig die Hand hin. „Bin der Bodo.“ Er musterte Kai mit mahlendem Unterkiefer, der automatisch die große Hand ergriff. Harte Schwielen drückten sich in seine Handfläche, die Haut fühlte sich rau an, der Händedruck war hingegen eher kurz und lasch. „Freut mich“, entkam es Kais tauben Lippen. Irgendwo schrillte fortwährend eine Alarmglocke, vibrierte in seinen Nerven. „Wie kann ich Ihnen helfen?“ Kai versuchte ruhig zu bleiben, flach zu atmen. Eine Gefahr lag in der Luft. Er spürte es.
Was war hier los? Betraf es Leon? Verrückt, aber Bodo hatte dieselbe Art den Blick zu senken wie Leon, auch wenn sie körperlich in etwa die Ähnlichkeit eines Elefanten zu einer Antilope hatten. Und Bodo seinem Vater leider viel zu ähnlich sah.
„Nicht mir.“ Das Baseballcap wurde in den großen Händen zusammengeknautscht. Sein Blick huschte unstet über Kais Gestalt, wanderte von den Füßen zum Gesicht und weiter durch den Raum, blieb nirgends verharren. Nervös kaute er auf der Wange herum. Der bullige Mann erschien seltsam unruhig und warf Angie einen hilflosen Blick zu. Geräuschvoll holte er Luft, ehe er undeutlich erklärte: „Der Leo kennt dich, nich'? Du musst da ma' mitkommen. Glaube, du kannst helfen.“
52 Der Hase im Bau
„Was?“ Der Sprung in ein Becken mit Eiswasser hätte Kai nicht mehr schocken können, als Bodos Eröffnung. Schnappatmung, Herzstillstand. „Was ist mit Leon?“
Panik. Echte Panik jagte durch seinen Körper, trieb das Adrenalin in schnellen Stößen ins Blut und ließ seinen Magen krampfen. Etwas war mit Leon und er Idiot hatte es zu verantworten. Ganz bestimmt. Leon hatte sich was angetan, einen Unfall gehabt, irgendetwas. Und es war seine Schuld, weil er sich nicht gemeldet, weil er das, was zwischen ihnen war, einfach aufgegeben hatte. Sturkopf. Dämlack. Idiot.
„Was ist passiert?“ Scheiße, seine
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