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Mecklenburger Winter

Mecklenburger Winter

Titel: Mecklenburger Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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etwas an ihrer Beziehung, an ihm lag, dann würde er sich melden. Vielleicht war es ganz gut, Abstand zu gewinnen. Vielleicht würde Leon erkennen, wie sehr er ihm fehlte. Vielleicht begreifen, was er verpasste, wenn er gar nichts tat. Vielleicht …
    An der Raststätte Gudow erreichte Kais schlechtes Gewissen, dass er anhielt und Susanne eine SMS schickte. Die Antwort kam prompt: „Was ist los? Habt ihr euch etwa gestritten? Leon sagt auch kein Wort.“
    „Ja“, antwortete Kai per SMS, kämpfte tapfer gegen die Vorstellung eines, den Kopf gesenkt haltenden, unglücklichen Leons an. „Ich erkläre es später. Bis dann und danke.“ Natürlich würde Leon nichts sagen. Der fraß das ins sich hinein. Wie immer.
    Verdammt und er? Ihm ging es auch gerade beschissen. Nach Paolo hatte er so etwas nie wieder fühlen wollen, diese Enttäuschung, diesen Schmerz, der ihn innerlich zerriss. Keiner hatte ihm danach so nahe kommen können wie Leon.
    Und ausgerechnet dieser unschuldig dreinschauende Typ mit den tollen Augen hatte ihm gekonnt abermals das Herz zerfetzt. Nach allem, was er für ihn getan hatte. Stets war er für ihn dagewesen, hatte mit unendlicher Geduld auf dessen erste Schritte auf dem Weg ins Schwulsein gewartet. Und dies ist nun der Dank? Einfach Schluss?  
    Leise nagte der Einwurf an der Argumentationskette, dass Leon keineswegs Schluss gemacht, lediglich gesagt hatte, er könne sich seinem Vater nicht offenbaren. Dennoch fühlte Kai sich enttäuscht, betrogen, hintergangen. Wut und Hilflosigkeit, Schmerz und Enttäuschung tobten in erbitterten Grabenkämpfen zermürbend durch seinen Körper. Starr blickte er auf die Fahrbahn, hakte eine Ausfahrt nach der anderen ab, ohne es recht zu bemerken, brachte Kilometer um Kilometer zwischen sich und Leon. Zu seinem Glück war die Autobahn leer und das Schicksal hielt keinen tragischen Unfall für ihn bereit.
    Ein Hauch von Erleichterung durchdrang die düsteren Gedanken, die sich in einer unendlichen Schleife drehten, Schuld zuwiesen und ebenso auf ihn luden, erst als er endlich in seine Auffahrt einbog. Ohne wirklich zum Nachdenken zu kommen, zog Kai sich um, schlüpfte in seine Laufschuhe und ließ sich von seinen Füßen davontragen.
    Frischer Wind, der Regen enthielt, blies ihm entgegen, mischte sich mit dem Duft der Kiefern im Wald. Kai überließ sich dem Rhythmus des Laufens, versank in den gleichmäßigen Bewegungen. Es war wie eine Trance. Tausend Mal hatte er diesen Zustand schon erlebt, war in den Fluss seiner Bewegungen gesunken und hatte sich von dessen sanftem Wasser mittreiben lassen. Auf den Schaumkronen wurden alle Sorgen, jeder Vorwurf davongetragen, sanken in die Strudel ein, verschwanden unter der glatten Oberfläche.
    Ruhe erfüllte ihn, brachte die Kämpfe zum Erliegen. Kai lief, lief und lief. Stundenlang, ohne das Gefühl für Entfernung oder Zeit, lief so lange, bis seine Beine brannten und sein Kopf leer war, ehe er sich heimwärts wandte. Müde, träge und erschöpft wie sein Körper, schlichen sich die Gedanken erst wieder heran, als er unter der Dusche stand.
    Noch war es nicht vorbei. Sie hatten noch eine Chance. Sein Entschluss hingegen stand: Dieses Mal würde er nicht den ersten Schritt machen. Wenn Leon keinen endgültigen Schlussstrich ziehen wollte, wenn ihm etwas an Kai lag, dann musste er endlich lernen zu kämpfen. Kai hatte ihm geschworen, für ihn da zu sein und das würde er auch halten. Aber es war nun an Leon, auf ihn zuzugehen.
    „Zeig endlich deine Krallen“, murmelte Kai, während er sich dem Wasserstrahl überließ. „Oder verkrieche dich in deinen Bau und bleib dein Leben lang dort.“ Das Telefonat mit Susanne war unausweichlich. Kai blieb wortkarg, erklärte nichts, antwortete zögernd und schließlich gab sie seufzend auf, mehr erfahren zu wollen.
    „Kai, es wäre schade, wenn das mit euch beiden kaputt gehen würde, nur weil ihr beide nicht miteinander redet“, erklärte sie. „Es ist an ihm, mich anzurufen“, erklärte Kai stur. „Er hat meine Handynummer, er weiß, wo ich wohne.“
    „Glaubst du wirklich, er wird es tun?“ Susannes Stimme klang resigniert und stieß Kai ein unvermutet scharfes Messer in die Brust. „Ich kenne ihn nicht so lange und gut wie du, aber Leon scheint mir eher einer der Männer zu sein, der sich verkriecht. Mensch Kai, er ist gerade erst achtzehn geworden und scheint es daheim nicht gerade leicht zu haben.“
    „Hatte ich auch nicht.“ Kai war nicht bereit, sich

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