Mecklenburger Winter
einer leeren Wohnung. Nein, Leon würde bestimmt nicht zurückgehen. Nicht, ohne Bescheid zu geben, oder?
Kais erster Blick wanderte über die Schuhsammlung und erleichtert registrierte er Leons Schuhe und auch seine Jacke. Zudem zog aus der Küche unverkennbarer Essensduft. Grandios. Leon kochte schon wieder. Eindeutig, Kai hatte den Himmel auf Erden in seiner eigenen Wohnung gefunden.
„Bist du echt, oder halluziniere ich?“ Kai seufzte, kaum hatte er die Küche betreten. „Ein wunderschöner, junger Mann in meiner Küche, der auch noch für mich kocht.“ Leons Wangen überzog ein Hauch von Rosa und verlegen drehte er Kai den Rücken zu. „Mir war langweilig“, erklärte er mit einem Seitenblick zu Kai: „Und du hast nur drei Pornos.“
„Du hast sie also gefunden?“ Glucksend lachte Kai auf und stellte den Einkauf ab. Verwundert starrte er auf die Zutaten auf der Arbeitsplatte. Er war absolut sicher, dass er keine Kartoffeln im Haus gehabt hatte. Wo hatte Leon die her? „Ich war einkaufen. Du hattest nichts da. Ich hatte zwar nur noch fünfzehn Euro, aber es hat gerade so gereicht.“
„Hättest du was gesagt.“ Verblüfft mustere Kai die Bratkartoffeln und Frikadellen in der Pfanne. „Ich hätte dir Geld dagelassen. Moment mal: Wie bist du denn einkaufen gewesen? Zu Fuß?“ Leon schichtete die Bratkartoffeln auf zwei Teller und druckste herum: „Mit deinem Fahrrad. Ich hoffe, das war okay?“
„Klar.“ Kais innere Couchpotato schmachtete ihre gebratenen Kollegen sehnsüchtig an, die sich in ihrem Fettglanz sonnten und verführerisch dufteten. Böses Fett, raunte sein Gewissen. Böse, böse. Fleisch, tierisches Eiweiß, böse, böse. Challengegefährdend.
„Riecht wundervoll.“ Kai versuchte, nicht zu offensichtlich zu sabbern. „Leider nichts für mich.“
„Oh?“ Leon sah ihn betroffen an. „Zuviel Fett dran?“
„Zuviel Fett unter anderem.“ Kai seufzte und riss sich gewaltsam von dem Anblick los. „Nicht so schlimm, bleibt mehr für dich. Ich habe auch eingekauft.“
„Tut mir leid.“ Zerknirscht füllte Leon die Kartoffeln auf einen Teller, von wo sie Kai mit wachsamen Fettaugen verhöhnten. „Du musst mir dann mal sagen, was du essen darfst.“
„Mache ich“, erklärte Kai versöhnt. „Ich lasse mich sehr gerne bekochen.“ Während Leon sich an den Tisch setzte, verstaute Kai die Lebensmittel. „Ich muss ohnehin noch eine Laufeinheit absolvieren und esse danach.“ Mit geringfügigen Neidgefühlen beobachtete er, wie Leon ohne nennenswerte Probleme beide Portionen vernichtete. Anschließend holte er sich einen Joghurt und kurz entschlossen nahm Kai sich ebenfalls einen. Er berichtete von seinem Tag im Studio, als sich das Schweigen zwischen ihnen erneut auszubreiten drohte und erhob sich schließlich seufzend: „Ich bin dann eben joggen.“
Auch wenn es Kai schwerfiel, sich zum Training aufzuraffen, waren seine Schritte von der Aussicht auf einen schönen Abend beflügelt. Obwohl er sich gründlich aufwärmte, zog es zwischendrin ein wenig im rechten Oberschenkel. Da hatte er sich wirklich ein wenig Muskelkater zugezogen. Wie gut, dass er noch Heparin da hatte. Mit ein bisschen Wärme war das morgen schon wieder weg. Ganz zufrieden war Kai mit seinem Training nicht. Es fiel ihm heute unerwartet schwer und er schob es auf die Joghurtsünde vor dem Laufen.
Daheim saß Leon vor dem Fernseher und Kai beeilte sich mit dem Duschen, schmierte sich ein paar Brote, machte sich einen Salat dazu, und nahm alles mit ins Wohnzimmer. Bereitwillig rutsche Leon zur Seite. Er hatte sein Bettzeug ordentlich an die Seite gelegt, sodass sie bequem auf der Couch sitzen konnten. Kai verschluckte die Bemerkung, ob er nicht doch ins Schlafzimmer umziehen wollte. Neben Leon zu sitzen, der nicht auswich und die Nähe sogar zuließ, war schon viel. Wenn er soweit war, würden sie auch wieder gemeinsam kuschelnd im Bett liegen. Kai hatte das Gefühl, dass die Mauer zwischen ihnen zu einem Vorgartenzaun geschrumpft war, der eher eine symbolische Grenze signalisierte.
„Ich habe heute mit Bodo telefoniert“, erklärte Leon plötzlich und lächelte schief. „Der hasst Telefonieren. Er hat zwar ein Handy, benutzt es aber nie. Sein Chef hat darauf bestanden, weil er schon zweimal einen Trecker im Acker versenkt hat und nicht Bescheid geben konnte.“ Leon lachte kurz auf. „Bodo hat versprochen, mir mein Auto vorbeizubringen. Er hat schon herausgefunden, wo der Schlüssel ist. Nur mein
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