Mecklenburger Winter
die Schulter. „Der Leo passt schon auf, dass ich dir nicht an die Wäsche gehe. Keine Gefahr. Du kannst auch hinten sitzen. In Sicherheit. Oder bist du neugierig?“
„Was?“ Bodo starrte ihn entgeistert an. Kai konnte förmlich sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. „Mann, Kai, hör auf damit“, ermahnte Leon diesen. „Hör nicht hin, Bodo, der spinnt dauernd rum. Kai ist eigentlich fast normal, also meistens. Er reißt nur die Klappe ziemlich weit auf und quatscht dummes Zeug.“
„Nur manchmal“, rechtfertigte Kai sich lächelnd, beschloss jedoch, den armen Bodo nicht länger zu ärgern. Gegen mindestens zwanzig Jahre erlernte und gelebte Homophobie kam er kaum mit ein paar Witzen an.
„Ich hole eben meine Jacke.“ Leon verschwand und ließ seinen verunsicherten Bruder im direkten Gefahrenbereich eines offen schwulen Mannes zurück. Nervös trat Bodo von einem Fuß auf den anderen, traute sich immerhin, Kai ab und an anzusehen.
„Biste echt ...“, brach es aus ihm hervor und er biss sich hastig auf die Lippen. „Ja, ich bin eine Schwuchtel. Ich bin schwul, homosexuell, ein warmer Bruder, ein Homo. Ich stehe auf Männer, mag sie küssen und all das mit ihnen machen, was du auch gerne mit einem Mädchen anstellen würdest.“ Kai lächelte. „Und nein, das ist keine Krankheit, nicht ansteckend, sondern angeboren und völlig normal.“
Bodo verzog bei der Vorstellung das Gesicht und schüttelte ungläubig den Kopf: „Einen Mann küssen? Das ist doch eklig.“
„Na ich hoffe sehr, dass Frauen die mit Männer zusammen sind, nicht der gleichen Meinung sind“, erwiderte Kai. Er weiß es nicht anders, ermahnte er sich. Bei dem Erzeuger, kein Wunder. Sei nett zu ihm. Denk dran, dass auch Leon Zeit gebraucht hat, das zu akzeptieren.
„Is ja was anderes“, nuschelte Bodo, wirkte jedoch nicht recht überzeugt. „Alles eine Frage des individuellen Geschmacks. Ganz genau so, als ob du blond oder braunhaarig gut findest oder grüne oder blaue Augen. Du magst Frauen, ich eben Männer. Deswegen falle ich nicht über jeden Mann her und du hoffentlich nicht über jede Frau.“ Kai unterdrückte ein Grinsen. Vermutlich sind seine Erfahrungen diesbezüglich auch eher gering. Bodo wäre ein typischer Kandidat für „Bauer sucht Frau“. Wobei der mit ein bisschen Aufpeppen vermutlich durchaus mehr herzeigen würde. Immerhin hat er Leons schöne Augen.
Bodo grinste und schüttelte noch energischer den Kopf.
„Nee“, erklärte er langgezogen, schien allerdings noch nicht ganz überzeugt zu sein, denn er wahrte noch immer einen gewissen Sicherheitsabstand zu Kai. Immerhin atmete er nicht erleichtert auf, als Leon endlich zurückkam.
„Ich fahre, dann habe ich meine Grabscher brav am Lenkrad“, bot Kai beim Einsteigen an und handelte sich einen Knuff ein. „Hör endlich auf“, zischte ihn Leon an, der Ärger war nicht gespielt. Kai riss sich zusammen, enthielt sich jeden Kommentars, als Bodo hinten einstieg und konzentrierte sich auf das Fahren.
Es wurde eine ruhige Fahrt und Kais zwei Ansätze, ein Gespräch in Gang zu bringen, scheiterten kläglich. Wenige Kilometer vor dem Hof, wandte sich Leon nach hinten: „Wie … läuft es so?“ Besorgnis versteckte sich hinter jedem Buchstaben. Seine Finger wanderten über die Jeans und er fuhr sich immer wieder durch das Haar.
„Klappt schon“, brummte Bodo. „Abends is er halt dicht, da gehe ich raus. Er hat es ihr nicht gesagt, als sie angerufen hat. Dienstag kommt sie wieder, da wird sie es schon mitbekommen.“
„Okay.“ Leon starrte auf die Straße und Kai biss sich auf die Zunge. Das ist nicht deine Baustelle, ermahnte er sich, auch wenn es ihm sehr schwerfiel. Anscheinend hatte Bodo jedoch alles im Griff, was die Pferde betraf und nahm Leon damit einen Teil Sorge ab.
„Kannst hier halten“, meinte Bodo, kaum tauchten die Stallgebäude auf. „Er muss den Leo nicht sehen. Gibt nur wieder Ärger.“ Dem pflichtete Kai absolut bei und verteilte einen neuen Sympathiepunkt an Bodo. Ein bisschen tumb mochte der sein, er wusste jedoch, wie er seinen kleinen Bruder schützen konnte.
Wie gewünscht, hielt Kai an. Bodo zögerte und warf ihm einen unsicheren Blick zu. Erstaunlich schnell für seinen massigen Körper, schoss seine Hand vor und Kai duckte sich unwillkürlich. Ziel war jedoch weniger sein Kinn, als seine Schulter, um die sich die große Faust schloss.
„Bist okay.“ Bodo drückte so fest zu, dass Kai um ein Haar
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