Mecklenburger Winter
durch die Räume, schaltete das Licht ein, überprüfte zwei Geräte und, obwohl er es sich nicht eingestehen wollte, spürte er eine gewisse Aufregung in sich wachsen.
Noch eine Stunde, dann wird er hier sein. Kai ließ den Blick über die Geräte wandern, überlegte, mit was er anfangen sollte, was Leon am leichtesten fallen würde. Er fühlte weit mehr, als nur Aufregung, wenn er daran dachte, wie Leon hier an der Beinpresse sitzen würde, die Oberschenkel leicht gespreizt und die Beine einsetzen würde, um gegen den Widerstand der Gewichte, seine Knie zusammenzupressen. Kai sah ihn förmlich vor seinem inneren Auge: das Anspannen der Oberschenkelmuskulatur, jede Kontur der Muskeln, hörte das angestrengte Atmen, einem Keuchen gleich.
Kai biss sich in die Wange und grinste über sich selbst. Das könnte etwas peinlich werden, wenn ich hier einen Steifen kriege, nur weil ich ihm zusehe. Leon ist ganz gewiss nicht davon begeistert, wenn ich mit einem unübersehbaren Ständer stehe. Toll, der erste Schwule den er kennenlernt, bekommt gleich einen Steifen, wenn er ihn beim Training beobachtet. Kai konnte sich ziemlich lebhaft ausmalen, wie Leon darauf reagieren würde. Es wäre ganz gewiss das letzte Mal, dass er ihn sehen würde.
Es fiel Kai schon schwer, seine lockeren Sprüche und die direkte Anmache in Leons Gegenwart zu vermeiden. Wenn dieser noch mitbekam, dass er wortwörtlich auf ihn stand, dann war es das mit ihrer beginnenden Freundschaft und die war Kai eine ganze Menge wert. Auf gar keinen Fall wollte er riskieren, Leon zu verschrecken. Kai verfluchte dessen Vater, der mit Schuld an Leons dummen Vorurteilen gegen Schwule war. Dieser Arsch, der seinen eigenen Sohn so abfällig behandelt. So geht man doch nicht mit seinem Sohn um, ob der nun dem Idealbild entspricht oder nicht!
Abermals überkam Kai die Wut auf diesen Mann. Leon konnte schließlich nichts für seine Gene und die hatte er nun mal eindeutig eher von seiner Mutter. Seinem Vater sah er so gar nicht ähnlich. Ob Leons Bruder mehr dem Ideal des Vaters entsprach?
Seufzend ließ Kai sich auf der Flachbank nieder, strich nachdenklich über das Kunstleder. Selbst wenn Leon sich über ihre jetzige Freundschaft hinaus irgendwann zu ihm hingezogen fühlen würde, könnte er es sich überhaupt eingestehen? Könnte er damit leben, dass sein Vater womöglich Recht hatte? Zumindest damit, dass Leon schwul war? Kai hatte nicht den geringsten Hinweis bemerkt und eigentlich funktionierte sein Spürsinn da ausgezeichnet.
Er ballte die Faust und hieb auf das Polster. Wie sollte sich Leon auch jemals trauen, mehr zu sein, solange sein Vater ihn derart behandelt? Wenn sein Vater von der Freundschaft mit mir, einem Schwulen erfährt, er würde Leon das Leben zur Hölle machen. Noch viel mehr als jetzt.
Kai traute ihm durchaus zu, gewalttätig zu werden. Schmerzhaft zog sich sein Herz zusammen und er wusste genau, dass er sich auf jeden Fall beherrschen musste und Leon nichts von seinen wahren Gefühlen ahnen durfte. Nicht, wenn er ihn nicht ganz verlieren wollte.
Oh Mann, warum muss das Leben eines schwulen Mannes immer so kompliziert sein, wenn es um mehr als nur Sex geht? Kai seufzte und vernahm Geräusche im Treppenhaus. Angie kam und er riss sich zusammen. Leon war ein Freund, nichts weiter und er würde mit ihm trainieren, wie mit jedem anderen Kunden auch.
„Tachschön Kai“, begrüßte ihn Angie, eingehüllt in einen langen, warmen Mantel und einen dicken roten Schal, den sie sich unzählige Male um den Hals geschlungen hatte. „Mach doch bitte mal da draußen die Heizung an.“
„Hallo Angie“, gab Kai zurück. „Sorry, ist defekt und der Heizungstechniker im Skiurlaub.“ Grinsend stand er auf und half ihr aus dem Mantel. „Dankeschön.“ Sie strahlte ihn an. „Ein echter Gentleman, so etwas trifft man so selten.“
„Hartes Training“, erklärte er schmunzelnd. „Ach Kai“, seufzte sie. „Erkläre mir mal, warum gutaussehende, nette Männer entweder schwul oder schon vergeben sind? Das ist eines der Geheimnisse, hinter die ich gerne kommen würde.“
„Wenn ich einen treffe, frage ich ihn.“ Sie boxte ihn gegen den Arm. Bevor er ihr fairerweise gesagt hatte, dass er auf Männer stand, hatte sie versucht, auch mit ihm zu flirten. „Deprimiert?“, erkundigte er sich, als sie ihre Sachen aufgehängt hatte und die Hände an der Heizung aufwärmte. „Bin ich so leicht zu durchschauen?“, fragte sie. „Er war weder schwul
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