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Mecklenburger Winter

Mecklenburger Winter

Titel: Mecklenburger Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
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Blick zu, als dieser sich hastig vor dem kleinen Spiegel über den Mund fuhr, um etwaige Cappuccinoreste zu entfernen. Er wollte sich an ihr vorbei drängeln, aber Angie hatte es plötzlich ebenfalls eilig, an die Rezeption zu kommen. Sie blieb abrupt stehen, als sie erkannte, wer gekommen war. Breit grinsend wandte sie sich zu Kai um.
    „Da ist deiner ja schon“, meinte sie flüsternd und zwinkerte ihm zu. Kai warf ihr einen verschwörerischen Blick zu und wandte sich seinem neuen Kunden zu.
    „Hallo Leon!“, begrüßte er ihn, verfluchte sein unverschämt freudig hüpfendes Herz ebenso, wie Angies feixendes Gesicht, die Leon zuwinkte und hinter der Rezeption verschwand. „Klasse, dass du gekommen bist.“

 
13 Slow Twitch - Fast Twitch
     
    „Tachschön.“
    Leon lächelte Angie scheu an. Damit versetzte er Kais guter Laue augenblicklich einen gehörigen Dämpfer. „Tachschön, Leon“, gab sie zurück, hatte jedoch den Anstand, hinter der Rezeption zu verschwinden, nicht ohne Kai einen vielsagenden Blick zuzuwerfen. Dieser holte tief Luft. Auf in den Kampf. Er grinste Leon an und zeigte ihm, wo er seine Sachen lassen konnte.
    „Hast du Sportsachen mit, wie ich dir geraten habe?“, erkundigte er sich. Leon nickte. „Ja, habe ich. Meine Sportsachen von der Schule.“ Leon lächelte, wirkte jedoch nervös und strich sich immer wieder seine Haare zurück, während er Kai in den Umkleideraum folgte.
    „Hier kannst du dich umziehen und nachher da hinten duschen“, erklärte ihm Kai. Er vermied jeden Blick, der womöglich etwas von seinen Gedanken bei dem Wort: „duschen“, besonders im Zusammenhang mit Leon, verraten könnte. Bedauernd ließ Kai ihn alleine, nur um von der Tür einen Blick zurückzuwerfen und wenigstens belohnt zu werden, als Leon sich den Fleecepullover auszog. Kai riss sich zusammen und trat eilig in den Trainingsraum. Er begrüßte einen anderen Kunden und wartete hibbelig auf Leon, der bald darauf erschien, ein unsicheres Lächeln auf den Lippen.
    Er trug eine einfache, schwarze Trainingshose und ein zu großes T-Shirt. Kai war richtiggehend enttäuscht. Hast du etwa knappe Shorts und Netzshirt erwartet? Er schüttelte über sich selbst den Kopf.
    Leon beäugte das Gerät misstrauisch, bis Kai ihm die Funktion erklärt hatte. Während Kai ihm verschiedene Dehnübungen zum Aufwärmen zeigte, erhaschte Kai hin und wieder einen Blick auf nackte Haut, wenn das unförmige T-Shirt hochrutschte. Er fühlte sich erbärmlich und triebgesteuert. Wie ein dummer Spanner. Als ob du noch nie einen nackten Mann gesehen hättest. Nicht diesen, seufzte er innerlich. Man begehrt immer, was man nicht bekommen kann.  
    Da er nur sporadisch trainieren würde, verzichtete Kai auf den üblichen Fitnesscheck, zumal Leon den Wunsch geäußert hatte, mehr an den Kraft- als an Ausdauergeräten arbeiten zu dürfen. Warum, konnte Kai sich nur zu gut denken, verkniff sich allerdings jeden Kommentar. Solange Leons Vater ihm erlaubte herzukommen, war es ihm egal.
    Zwischendurch kamen weitere Kunden und begrüßten sie. Kai wies Leon in die Bedienung eines Gerätes ein, mit dem er seine Beinmuskulatur trainieren konnte. Kais Wunschtraum blieb fern der Realität, denn durch den Stoff der Trainingshose hindurch sah man natürlich gar nichts von Haut oder Muskeln. Tunlichst vermied er es, Leon anzufassen, um sich nur ja nicht in Versuchung zu führen.
    Schnell hatte Leon den Bogen raus, arbeitete konzentriert und Kai ließ ihn widerwillig alleine. Verstohlen warf er ihm Blicke zu, der mit ernstem Gesicht, die Zunge leicht zwischen den Lippen immer wieder den Widerstand des Gerätes überwand. Sein offensichtlicher Ehrgeiz hätte Kai mehr beeindruckt, wenn er sich nicht bewusst gewesen wäre, dass Leon gegen die dummen Sprüche seines Vaters anarbeitete. Kai blieb in seiner Nähe, soweit es möglich war.
    Nach zehn Minuten hatte sich Schweiß auf Leons Stirn gebildet, verklebte die fransigen Spitzen des dunkelblonden Haares. Seine graugrünen Augen funkelten und Kai stutzte verblüfft. So hatte er Leon noch nie zuvor gesehen. In den Augen lag wilde Entschlossenheit und derart viel Ehrgeiz und Willen, dass es Kai warm ums Herz wurde. Er kannte diesen Ausdruck zur Genüge; er war ihm schon hundert Mal begegnet. Leon hatte den Kampf gegen seinen Körper aufgenommen, gegen Müdigkeit, Schwäche, Schmerz und den inneren Schweinehund. Mit diesem Ausdruck gewann man Rennen im Wettkampf gegen sich selbst.
    Kais Herz schlug

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