Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mecklenburger Winter

Mecklenburger Winter

Titel: Mecklenburger Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris P. Rolls
Vom Netzwerk:
ich mal trainieren kann, okay?“
    Kai brauchte einen Moment, bis er sich von Leons Anblick im silbrigen Mondlicht losreißen konnte und begriff, was dieser gefragt hatte.
    „Klar. Natürlich“, brachte er hastig hervor, vermochte den Blick nicht zu lösen. „Jederzeit gerne.“ Leon lächelte ihm erneut zu, nickte und schloss die Tür. Augenblicklich fühlte sich Kai ernüchtert, auch wenn der Anblick in seiner Erinnerung haften blieb.
    „Jederzeit gerne“, murmelte er verträumt vor sich hin und seufzte tief auf.

 
12 Tutti Gusto
     
    Sehr zu Kais Freude, meldete sich Leon schon eine Woche später und sie verabredeten sich für Donnerstag im Studio zum ersten Training.
    Die Aussicht, Leon nun womöglich regelmäßig zu treffen und Zeit mit ihm verbringen zu dürfen hob Kais Laune beträchtlich. Selbst die konstante, klirrende Kälte konnte seinem Hochgefühl nicht schaden, wenn er daran dachte, Leon zukünftig weitaus weniger bekleidet zu sehen.
    Während er in der kalten, extrem klaren Luft seine morgendliche Trainingsrunde lief, träumte er sich zurück auf den Iron Man. Sonne, Hitze, flirrende Luft ringsum, tropisches Klima, der Geruch von Salzwasser und er alleine unterwegs. Schritt für Schritt, federnd, locker, lässig, im Rhythmus, im Einklang mit seinem Körper, Kilometer um Kilometer lief er seinem Ziel, der Erfüllung seines Traumes entgegen. Vor sich konnte er das Ziel sehen, nur noch etwas weiter, dann würde er hindurchlaufen, das Band zerreißen, die Arme jubelnd hochrecken. Sein Körper würde weiter wollen; es war hart, den Rhythmus zu unterbrechen, wieder Kontrolle zu erlangen, die schweren Beine zum Aufhören zu überreden.
    In seiner Vorstellung stand dort jemand, der auf ihn wartete. Er war jung, hatte graugrüne Augen, kurze, dunkelblonde Haare und lächelte ihm entgegen. Er sah nur dieses Gesicht. Die müden Beine würden ihn weitertragen, hin zu ihm - vorher würden sie ihm nicht gehorchen - zwei Meter noch ...
    Wie schön wäre es, wenn er wirklich dort stehen, ihn festhalten würde, wenn er aus dem Rausch des Laufens kam. Er würde Leons Gesicht umfassen, der ihn anlächelte, voll Stolz. Diese schönen, weich geschwungenen Lippen, die ihn küssen, starke Arme, die sich um ihn schlingen würden und er konnte sich fallenlassen, wäre endlich angekommen.
    Ein schöner Traum ... in jeder Hinsicht.
    Die Realität sah anders aus, weit weniger bunt, vielmehr grauweiß, abweisend und vor allem kalt. Mürrisch streifte Kais Blick in die winterliche Landschaft. Mit den Augen folgte er dem grauen Band der Asphaltstraße, welches sich vor ihm ausbreitete. Links und rechts lagen die offenen, schneebedeckten Felder, dahinter die grauweißen Kiefernwälder. Heute hielt sich der Wind in Grenzen, aber die Sonne blieb hinter den Wolken des grauen Himmels verborgen, während er von Jasnitz über Strohkirchen zurück nach Hagenow einen stellenweise vereisten Waldweg entlanglief.
    Diese Strecke war tückisch, denn unter der Schneedecke waren gefrorene Pfützen und er war hier schon des öfteren ins Straucheln geraten. Also konzentrierte er sich genau, schob all seine Wunschträume zeitweilig von sich, um seinen Körper geschickt genug um und über die gefährlichen Stellen zu bewegen.
    Bei diesen Bodenverhältnissen schaffte er kaum jemals sein Zeitlimit. Sein GPS zeigte ihm, dass er viel langsamer unterwegs war, als geplant. Nur der Gedanke daran, dass er heute Nachmittag Leon in seinem Studio trainieren durfte, machte alles wieder wett. Irgendwann musste dieser fürchterliche Winter ja vorbei sein. Irgendwann würde alles besser werden.
    Frisch geduscht, das angenehm schwere Gefühl in seinen müden Muskeln, machte sich Kai auf den Weg zu seinem Laden. Seit zwei Tagen hatte es keinen Neuschnee gegeben und die Straßen waren frei und gut zu befahren. An den Straßenrändern in Ludwigslust türmte sich der schmutzige Schnee. Draußen, im freien Land konnte man von winterlicher Idylle sprechen, hier in der Stadt, verlor der Winter augenblicklich jeden Reiz.
    Der Vormittag war ruhig, es kamen kaum Kunden. Leider waren zwei Kartons mit neuen Waren nicht mitgeliefert worden, doch selbst dass konnte Kais Laune nicht verderben. Obwohl er fast eine Stunde hinterher telefonieren musste, in zwei Warteschleifen mit überaus schlechter Hintergrundmusik festhing und dann wieder vertröstet wurde.
    Da es ruhig war, schloss er etwas eher und ging nach oben in sein Studio. Angie war noch nicht da und so ging er selbst

Weitere Kostenlose Bücher