Mecklenburger Winter
Anblick eines halbnackten Mannes in meiner Wohnung hat mich da halt umgehauen“, entschuldigte sich Kai lahm, spürte seine Wangen brennen und wusste genau, es lag kaum an der Wärme im Raum. Leons Lächeln wurde intensiver, den Blick hob er jedoch nicht.
„Komm, lass uns Frühstücken. Ich habe Hunger und ich brauche eh noch etwas Zeit, bis ich abgekühlt genug zum Duschen bin“, forderte ihn Kai schließlich mit einer Handbewegung auf und wandte sich um. „Okay“, antwortete Leon erleichtert und folgte ihm in die Küche. „Erträgst du mich noch ein wenig vor Schweiß stinkend?“, erkundigte sich Kai unbehaglich, als sie an dem kleinen Tisch saßen und Leon sich einen Tee aufgoss. Er war wirklich zu erhitzt, um gleich unter die Dusche zu gehen, immerhin war er doch recht schnell gelaufen.
„Ich habe schon viel schlimmer gerochen“, meinte Leon achselzuckend und schob Kai den Brotkorb hin. Er hatte das Brot aufgeschnitten, Marmelade und Butter hingestellt und überhaupt den Tisch sehr nett gedeckt. Sogar Eier hatte er gekocht. Lediglich die Eierbecher hatte er nicht gefunden, was daran lag, dass Kai keine besaß. Er aß nie ein Ei zum Frühstück, nur heute, mit Leon machte er eine Ausnahme.
„Ich dusche auch immer erst, wenn ich mit der Morgenfütterung durch bin, sonst würde jeder in der Klasse, die Nase rümpfen, wenn ich verschwitzt und mit Stallgeruch ankomme“, erklärte Leon schmunzelnd und sein Blick schweifte nachdenklich aus dem Fenster. Vermutlich denkt er daran, dass die Pferde heute länger auf ihr Frühstück warten müssen.
„So lange, wie heute schlafe ich sonst nie“, fügte Leon folgerichtig hinzu, warf Kai einen unsicheren und doch dankbaren Blick zu. „War echt toll.“
„Ich auch nicht“, erklärte Kai wahrheitsgemäß. „Aber ich habe auch selten so nette Gesellschaft.“ Leon lächelte erneut, sagte jedoch erstmal nichts, sondern schnappte sich eine Scheibe Brot. Ihr weiteres Gespräch entwickelte sich zögerlich, drehte sich hauptsächlich um die passenden Zutaten eines Sportlerfrühstücks und ihre eigenen, persönlichen Vorlieben und erstarb irgendwann ganz. Jeder hing seinen Gedanken nach. Vor dem Fenster fiel der Schnee in einer unendlichen Wiederholung, nahm ihnen jede Sicht auf die Welt außerhalb der kleinen Küche.
Abrupt hob Leon den Blick und richtete sich auf. „Kai?“ Unruhig fuhren seine Finger über die Tischdecke. „Woran …?“ Leon, unterbrach sich und rutschte auf seinem Stuhl hin und her. Kai sah ihn fragend an, wartete, dass Leon seinen Satz vollenden würde. „Ach, vergiss es“, stieß dieser plötzlich hervor, griff nach dem Teelöffel und drehte ihn in seinen schlanken Fingern. Seine Wangen waren noch immer oder schon wieder rosig verfärbt. „Was?“, hakte Kai nun neugierig geworden nach. „Was willst du wissen?“
„Ich …“ Leon druckste herum, wurde deutlich sichtbar rot, brachte aber keinen weiteren Ton heraus. Er starrte auf den Teelöffel, den er geschickt zwischen den Fingern hin und her bewegte. Kai runzelte fragend die Stirn. „Spuck es schon aus. Was willst du wissen? Top-Secret Schwulengeheimnisse? Die besten Verführungsrezepte für jugendliche Charmeure? Wo man am besten Kondome kauft und einen satten Rabatt bekommt?“ Das klang viel lockerer, als er im Innern war, denn natürlich spürte Kai, dass Leon etwas Wichtiges fragen wollte. Ganz offensichtlich etwas, was ihm auf der Zunge brannte und den Weg nicht über die Lippen hinaus fand.
Leon grinste breit, lachte glucksend auf und blickte zu Kai hoch.
„Nee“, gab er langgezogen zurück, schlug die Augen abermals nieder und fügte leise, ernster hinzu: „Naja, doch irgendwie, also ...“ Sein Blick blieb gesenkt und der Teelöffel kam zur Ruhe, zitterte in seinen Händen. „Woran hast du denn richtig gemerkt …, dass du schwul bist?“ Er vermied es tunlichst, Kai anzusehen. Überrascht sog dieser die Luft ein. Der Löffel in Leons Händen zitterte nun so stark, dass Kai versucht war, seine Hand darum zu schließen. Um Leons Hände.
„Beim Küssen“, antwortete Kai automatisch ohne den Blick von dem Löffel zu nehmen. „Als ich Frank geküsst habe.“ Leon hob den Kopf, sah Kai unverwandt an. Dieser zuckte die Schultern und lehnte sich zurück, bevor er zu erzählen begann: „Ich war mit einer ganzen Menge Mädchen an meiner Schule aus und hatte auch mit ihnen Sex. Ich war der typische Partydraufgänger und ja, fast jede von denen ist gerne mit mir ins
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