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Medea. Stimmen

Medea. Stimmen

Titel: Medea. Stimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Wolf
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hebt, sagte Arinna, mit Goldborte um den Hals und auf den Rocksaum. Sie nähte mir die Kleider; die beiden mußten viel reden, daß ich sie dann auch trug, mit niedergeschlagenen Augen rannte ich durch die Gänge, einer von den jungen Köchen erkannte mich nicht und pfiff hinter mir her, unerhört, unerhört und wunderbar, ach wie wunderbar, aber das war eben ihre schwarze Magie, sie ließ mich etwas fühlen, was es nicht gab, nicht gibt, auf einmal sollten meine Arme und meine Beine geschickt geworden sein, jedenfalls kam es mir so vor,aber das war ja alles Täuschung, Verhöhnung, sagt Turon und legt seine Hand mitleidig auf meinen Kopf, er meint natürlich Verhöhnung einer Armseligen und Unglücklichen und von den Göttern Benachteiligten, und der Beweis dafür ist, daß nun, da man mich ihrem verderblichen Einfluß entzogen und mir die dunklen Kleider, die mir anstehen, wiedergegeben hat, daß nun auch meine Arme und Beine ihre trügerische Geschicklichkeit wieder verloren haben und kein noch so dummer Küchenjunge auf die Idee käme, mir nachzupfeifen, was ja auch höchst ungehörig wäre gegenüber der Tochter des Königs, das schrie Kreon, als er endlich dieser Frau auf die Schliche gekommen war, als man ihm zugetragen hatte, daß sie mich häufig und regelmäßig besuchte, ja wo sind wir denn, schrie er, kann denn hier jeder machen, was er will, ich werfe dieses Weib zur Vordertür hinaus, und zur Hintertür läßt meine Tochter sie wieder herein; Kreon packte mich bei den Schultern und schüttelte mich, mein Vater faßte mich an, das hatte es noch nie gegeben, das war Angst und Freude zugleich. Es war mir geglückt, ich hatte ihn so weit gebracht, er faßte mich an; das müßte sie sehen, dachte ich, ihr, die ich nicht mehr sehen sollte, ihr, die mir die Angst vor dem Vater hatte nehmen wollen, ihr wollte ich zeigen, daß ich nur eine mit Angst vermischte Freude an ihm haben konnte. Ich hätte erschrecken sollen, aber ich erschrak nicht, das ist es ja: Ich gebe alles zu, und ich gebe ihnen recht, aber ich erschrecke nicht, nicht vor mir, nicht vor ihr, sondern ich frage mich, ob sie eigentlich weiß, daß sich die Leute, wenn sie einen Raum betritt, sofort anders benehmen als vorher, daß auch mein Vater, der König, sich in ihrer Gegenwart niemals einen solchzügellosen, ja: zügellosen Zornesausbruch gestattet hätte, selbst er hält, wenn sie dabei ist, seine wahren Gefühle zurück, weil sie ihm plötzlich peinlich sind, ich habe das schnell bemerkt, denn wenn ich auch wenig rede, so heißt das nicht, daß ich nicht beobachte und mir meine Gedanken mache, das hat sie mir übrigens auf den Kopf zu gesagt bei unserer ersten Begegnung. Ich erinnere mich an jedes ihrer Worte von Anfang an.
    Es ahnt ja niemand, wie ich auf sie und die anderen Kolcher gewartet, wie inbrünstig ich sie herbeigesehnt habe, ich habe die junge Magd bestochen, die mich damals bediente, daß sie mir alte Kleider von sich gab, als Mädchen aus dem Volke, das Gesicht hinter einem Tuch versteckt, schlich ich mich durch die Absperrung beim Hafen, ich kann ja kühn sein, wenn ich nicht Glauke bin. So stand ich am Fuß des Landungsstegs und sah sie mit ihrem dicken Bauch herunterkommen, gestützt von diesem Mann, dessen Glanz mich blendete, etwas zerriß in mir, ich sah ihre Gestalt gegen den Himmel, wie ich ihn hasse, diesen Himmel von Korinth, das habe ich niemandem gesagt, nur ihr, immer wieder ihr, ihr, ihr, sie war es ja, die mich hassen lehren wollte, aber doch nicht den Himmel, Glauke! hat sie ausgerufen und auf ihre Weise dazu gelacht, sie war es ja, die mir einreden wollte, ich könne ruhig denken: Ich hasse meinen Vater, nichts würde ihm dadurch passieren, ich brauchte mich dafür nicht schuldig zu fühlen. So begann ihr übler Einfluß auf mich, heute kommt es mir unglaublich vor, ungeheuerlich, daß ich mich ihm ergeben, lustvoll mich ihm ergeben habe, das war die Schlechtigkeit in mir, die sich auf einmal als mein bestes Teil aufspielen durfte, meine Putzsucht und meineLust auf Zerstreuung und auf diese kindlichen Spiele, die sie mich mit Arinna machen ließ, Arinna, die sie mir als Freundin zuführte; nie hatte ich eine Freundin gehabt, die mich ans Meer mitnahm und mich lehrte, darin zu baden, das sei gesund, kriegte ich zu hören, und eine Zeitlang sah es so aus, als hätten sie damit recht, nicht wahr, sogar mein Ungemach trat seltener auf, sie behauptete, es würde ganz und gar aufhören, es gab Tage, Wochen, da ich

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