Media Control
Auseinandersetzung über die Frage von Krieg und Frieden«, wie die Bürgerrechtorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) später feststellte. 57
Palmers Überzeugung, der Staat habe die Autorität, das Aufgehen solcher Saat zu verhindern, liegt in der amerikanischen Tradition. Massenmedien, Schulen und Universitäten verteidigen ideologische Orthodoxien auf ihre eigene, zumeist erfolgreiche, Weise. Wenn die herrschende Doktrin gefährdet scheint, hat der Staat das Recht zu handeln.
Nach dem Ersten Weltkrieg bedrohte auch eine kämpferische Arbeiterbewegung die etablierten Privilegien. Hoover sah im Streik der Stahlarbeiter von 1919 eine »Verschwörung der Roten«, und ein darauf folgender Streik der Bergbauarbeiter wurde von Präsident Wilson als »gravierender moralischer und rechtlicher Fehltritt« bezeichnet. Die Presse sah die »von den bolschewistischen Doktrinen rot durchtränkten Bergbauarbeiter« bereits auf dem Weg »zu einer allgemeinen Revolution in Amerika«. 58 Murray Levin zufolge wurde die Angst vor den Kommunisten »zum großen Teil von der Geschäftswelt geschürt, die ihre Macht durch einen zunehmenden Linkstrend in der Arbeiterbewegung bedroht sah«. Sie hatte dann allen Anlaß, über die Ergebnisse der Kommunistenhatz erfreut zu sein, denn es war gelungen, »die Arbeiterbewegung zu schwächen und nach rechts zu drücken, radikale Parteien zu zerschlagen und die Liberalen einzuschüchtern«. Es war »ein im großen und ganzen gelungener Versuch, die Legitimität der kapitalistischen Machteliten zurückzugewinnen und das Klassenbewußtsein der Arbeiter weiter zu schwächen«. Die Presse bremste ihre vorbehaltlose Unterstützung der Maßnahmen erst ab, als die gegen Einwanderer gerichtete Hysterie das Reservoir billiger Arbeitskräfte zu gefährden drohte.
Die Kommunistenhatz diente nicht zuletzt der Stützung einer interventionistischen Außenpolitik. Der Historiker Foster Rhea Dulles erklärt: »Regierungsinstitutionen veranstalteten 1919 ein Sperrfeuer antibolschewistischer Propaganda, das zum Teil die Interventionspolitik in Archangelsk und Sibirien rechtfertigen sollte.« John Lewis Gaddis stellt eher die Selbstverteidigung in den Mittelpunkt, wenn er über die »Furcht vor den Roten« bemerkt, sie sei »durch die Vorstellung, auch die Vereinigten Staaten könnten gegen den Bazillus der Revolution nicht immun sein« einer der Faktoren gewesen, die »Amerikas Feindschaft gegenüber dem Kommunismus« hervorgerufen habe. Eine instruktive Argumentation. 59
Die damals entstandenen Handlungsmuster haben sich auf vielerlei Weise bis heute erhalten. Als in den sechziger Jahren die Auswirkungen der nach dem Zweiten Weltkrieg etablierten Unterdrückungsmaßnahmen abflauten und ein breites Spektrum von Bürgerrechtsbewegungen entstand, setzte das FBI ein Programm (namens COINTELPRO) zu ihrer Unterminierung in die Tat um. Es bestand u. a. darin, die Gewalt in den Ghettos der Schwarzen zu forcieren, die Socialist Workers Party zu drangsalieren und die Ermordung eines Mitglieds der Black Panther durch die Polizei zu unterstützen. 60
Dieses Programm wurde gerade zu der Zeit aufgedeckt, als die Nation sich über den Watergate-Skandal erregte und man die Presse für ihre entschlossene Verfolgung von Nixons Missetaten lobte oder verdammte. Dabei war sein Vergehen, verglichen mit den Maßnahmen, die die führende subversive Organisation der USA unter den Regierungen Kennedy, Johnson und Nixon durchsetzen konnte, bestenfalls ein Akt von Kleinkriminalität. Auch hier bietet die Geschichte ein kontrolliertes Experiment, anhand dessen wir die Reaktion der Medien auf Watergate bewerten können. Die Folgerungen sind eindeutig: Die Aufmerksamkeit beschränkte sich auf die relativ geringfügige Beschneidung der Rechte von Personen und Organisationen mit Macht und Einfluß, während die sehr viel schwerwiegenderen Verbrechen gegen die Machtlosen kaum in die Berichterstattung eingingen und auch im Kongreß nicht thematisiert wurden. 61
Was Watergate uns lehrt, liegt auf der Hand: Die Mächtigen können sich verteidigen, und die Presse darf ihnen, zur Freude der einen, zum Ärger der anderen, je nachdem, wieviel Recht sie der Regierung zur Kontrolle der öffentlichen Meinung einräumen, Unterstützung gewähren. Die Entscheidung, sich auf den Watergate-Skandal zu konzentrieren, wurde von den Medien als stolzester Moment in ihrer Geschichte gefeiert; tatsächlich war es nur eine weitere zynische Übung im
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