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Media Control

Media Control

Titel: Media Control Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Chomsky
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Dienst der Macht.

V. Über den fortwährenden Kampf
um die Meinungsfreiheit
    Wie Bundesrichter William Brennan einmal bemerkte, ist die Meinungsfreiheit selbst in den Vereinigten Staaten, die im internationalen Vergleichsmaßstab recht fortschrittlich sind, keine selbstverständliche Tradition. 62 Das gilt auch für andere Rechte. In den dreißiger Jahren schrieb der Anarchist Rudolf Rocker:
    »Politische Rechte entstehen nicht im Parlament, sie werden ihm vielmehr von außen aufgezwungen. Und selbst ihre Kodifizierung als Gesetz war lange Zeit keine Garantie für ihre Sicherheit. Sie existieren nicht, weil die Legislative sie auf ein Blatt Papier schrieb, sondern erst, wenn sie der Bevölkerung in Fleisch und Blut übergegangen sind und jeder Versuch, sie außer Kraft zu setzen, gewaltsamen Widerstand hervorruft.« 63
    Zahlreiche geschichtliche Beispiele bestätigen diese Auffassung.
    Bekanntlich wurde selbst das allgemeine Wahlrecht in den Vereinigten Staaten erst nach langen Kämpfen durchgesetzt. Die Frauen erhielten es erst nach 130 Jahren, und jenen, die von der amerikanischen Verfassung nur als Dreifünftel-Menschen angesehen wurden, verweigerte man es, bis die Bürgerrechtsbewegungen der letzten Generation das kulturelle und politische Klima veränderten. Während das Wahlrecht auf diese Weise ausgedehnt wurde, sinkt der Anteil derer, die davon Gebrauch machen, ständig. Wählen heißt, privilegiert sein - ein Zeichen für die allgemeine Entpolitisierung der Gesellschaft und den Zerfall einer alternativen, gegen die Vorherrschaft wirtschaftlicher Kräfte gerichteten Kultur. Was an formeller politischer Partizipation übrig bleibt, ist, vor allem auf den höheren Ebenen politischer Macht, oft wenig mehr als die inhaltlich begrenzte Geste der Ratifizierung.
    Das gilt auch für die Meinungsfreiheit. Obwohl das Recht darauf durch den ersten Verfassungszusatz (First Amendment) gesichert scheint, sah die Praxis etwas anders aus. Die liberale Interpretation ist immer noch die von Sir William Blackstone, die 1931 vom Präsidenten des Obersten Bundesgerichts, Charles Evans Hughes, bekräftigt wurde. Seine Entscheidung wurde als bedeutender Sieg für die Meinungsfreiheit gefeiert: »Jeder freie Mann hat das unbezweifelbare Recht, jede ihm zusagende Meinung der Öffentlichkeit mitzuteilen; dies zu verbieten hieße, die Pressefreiheit zu zerstören; doch veröffentlicht er, was unangemessen, übelwollend oder ungesetzlich ist, muß er die Folgen seiner Unbesonnenheit tragen.« Es gibt also keine von vornherein gesetzten Beschränkungen, wohl aber die Bestrafung unannehmbarer Gedanken. 64
    In einem Aufsatz über die »Geschichte und Wirklichkeit der Meinungsfreiheit in den Vereinigten Staaten« hebt David Kairys hervor:
    »Weder in der Gesetzgebung noch in der Praxis gab es ein Recht auf Meinungsfreiheit, bis zu einer zwischen 1919 und 1940 bewirkten Veränderung der diesbezüglichen Legislation. Vor dieser Zeit stand die freie Meinungsäußerung im Ermessen lokaler, bisweilen auch bundeseigener, Behörden, die oftmals verboten, was sie, die lokale Geschäftswelt oder andere Gruppen mit Macht und Einfluß nicht hören wollten.«
    Kairys bezieht sich nicht auf die von mir diskutierten subtileren Mittel der Meinungskontrolle, sondern auf das verbriefte Recht zur Meinungsfreiheit, eine instabile Konstruktion, die keiner und sei es noch so geringen Bedrohung, geschweige denn einer Krise, standhalten konnte. 65
    Wie umkämpft die Meinungsfreiheit war, wird auch daran deutlich, daß der Oberste Gerichtshof zwischen 1959 und 1974 mehr auf das First Amendment bezogene Fälle zu verhandeln hatte als in seiner ganzen bisherigen Geschichte; erst nach dem Ersten Weltkrieg hatte man ernsthafte Versuche unternommen, das Recht auf Meinungsfreiheit gesetzlich zu verankern. Das Anti-Aufruhr-Gesetz von 1798 wurde erst 1964 gerichtlich geprüft und für »mit dem First Amendment unvereinbar« erklärt. Richter Brennan wandte sich in seiner Begründung gegen eine Entscheidung, mit der die New York Times verurteilt wurde, weil sie eine von einer Menschenrechtsgruppe finanzierte Anzeige veröffentlicht hatte, die angeblich den Polizeichef von Montgomery (Alabama) verleumdete. Damit verkündete der Oberste Gerichtshof zum ersten Mal den Grundsatz, daß aufrührerische Verleumdung (seditious libel) - Kritik an der Regierung - »in Amerika nicht als Verbrechen deklariert werden kann, und er sprach in diesem Zusammenhang von der ›zentralen

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