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Spionagegesetzes wurde keine vom Obersten Gerichtshof unter Hinweis auf das First Amendment widerrufen«, hebt Kairys hervor.
Dieser umfassende Angriff auf die Meinungsfreiheit fand, nebenbei bemerkt, zu einer Zeit statt, als das Land Reichtum und wachsende Macht genoß und sich keiner Bedrohung ausgesetzt sah.
1943 pries die American Civil Liberties Union (ACLU) die USA als »Staat bürgerlicher Freiheiten«, 74 um den Gegensatz zu den Rechtseinschränkungen im Ersten Weltkrieg hervorzuheben. Ganz so positiv und freiheitlich war die Politik jedoch nicht: 110000 Japano-Amerikaner wurden (mit Billigung der Gerichte) in Sammellagern interniert; 1940 sorgten das Spionage- und das Smith-Gesetz 75 für repressive Aktivitäten des FBI, die auf dieser Grundlage noch 30 Jahre andauern sollten; die Regierung ging gegen Streikende vor und eliminierte die Socialist Workers Party; auf Hawaii wurde das Kriegsrecht ausgerufen; Dutzende von Personen kamen ins Gefängnis, weil sie Kriegsdienstgegner beraten hatten; oppositionelle Zeitungen und andere Publikationen wurden vom Postversand ausgeschlossen oder anders behindert; der internationale Nachrichtenverkehr wurde unter Kriegszensur gestellt und Wehrdienstverweigerer brutaler Behandlung ausgesetzt. 76 Linksliberale riefen dazu auf, die Bill of Rights nur für »Freunde der Demokratie« gelten zu lassen und die »Verräterpresse ... auszulöschen«, während Reinhold Niebuhr betonte, der nationale Notfall erfordere »ein größeres Ausmaß an Zwangsmitteln«, zu denen er auch Einschränkungen der »Freiheit von Organisationen, subversive Propaganda zu verbreiten« rechnete. 77
All dies geschah zu einer Zeit, als es kaum Widerstand gegen den Krieg gab und die USA, wie schon nach dem Ersten Weltkrieg, Wohlstand und Sicherheit genossen.
Kairys weist (ähnlich wie Rudolf Rocker) darauf hin, daß »die Perioden strengen Schutzes und der Ausweitung ziviler Rechte und Freiheiten zugleich jene Zeiträume waren, in denen Massenbewegung durch die Einforderung solcher Rechte die existierende Ordnung ernsthaft in Frage zu stellen vermochten«. Auch das theoretische Recht auf freie Meinungsäußerung ist durch die Linke, die Arbeiterbewegung und andere fortschrittliche Gruppen erkämpft worden.
Man sollte hinzufügen, daß die herrschenden Klassen, aus eigenem Interesse, der Staatsmacht Widerstand entgegensetzen, wenn sie jene Rechte, deren Nutznießer sie sind, bedroht sehen. Andere, ebenfalls privilegierte Gruppen, darunter auch Dissidenten, können dann davon profitieren. In einer funktionierenden kapitalistischen Gesellschaft wird alles zur Ware, auch die Freiheit: Man genießt davon so viel, wie man sich leisten kann, und wer es sich leisten kann, wird auf gute Bevorratung achten.
Ich habe mich bislang weitgehend an der liberalen Seite des politischen Spektrums orientiert, die zumindest für das abstrakte Recht auf Meinungsfreiheit eintritt, sowie die subtileren (und sehr erfolgreichen) Maßnahmen zur Gedanken- und Meinungskontrolle berücksichtigt, die aus den Gegebenheiten des gesellschaftspolitischen Systems resultieren. Aber die US-amerikanische Geschichte zeigt mit großer Deutlichkeit, daß es immer auch Personen und Gruppen gegeben hat - und weiterhin gibt -, die der Meinungsfreiheit insgesamt (und anderen zivilen Rechten) ablehnend gegenüberstehen. Wir haben die beiden Weltkriege und die Unterdrückungsmaßnahmen der Nachkriegszeiten angeführt und die FBI-Operationen der sechziger Jahre (Stichwort COINTELPRO) und könnten noch die politisch bedingten Entlassungen an den Universitäten zur Zeit der Studentenrevolte hinzunehmen. Ein anderes Beispiel ist die vulgär nationalistische Rhetorik des Wahlkampfs von George Bush (sen.) 1988 (u.a. wurde die Forderung erhoben, Kinder zur Ergebenheit gegenüber der Nationalflagge zu zwingen). Auch darf der Einfluß des religiösen Fundamentalismus nicht übersehen werden.
Und es gibt weiterhin jene, die mit dem vom Staat während des Ersten Weltkriegs geförderten freiwilligen Überwachungssystem nicht einverstanden sind, sondern verlangen, daß der Staat selbst festlegt, welche Gedanken gedacht werden dürfen und welche nicht. Diese Leute werden keineswegs als quasi-faschistische Extremisten betrachtet. Einen Fall möchte ich zum Schluß erörtern.
Es geht dabei um den Historiker Guenter Lewy, dessen moralisch-historische Traktate gern als »weltklug und tiefschürfend« apostrophiert werden, tatsächlich aber Dokumente falsch
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