Media Control
gehalten werden, weil sie ohnehin dem Gemeinwohl zu dienen bestimmt sind. Sie erfüllen einfach die ihnen gemäße soziale Rolle, wie der Oberste Bundesrichter Powell verlauten läßt (zitiert nach Anthony Lewis in seiner Verteidigung der Pressefreiheit): »Kein Individuum kann auf sich allein gestellt jene Informationen erlangen, die es braucht, um seiner politischen Verantwortung auf verständige Weise nachkommen zu können ... Indem die Presse die Öffentlichkeit befähigt, den politischen Prozeß sinnvoll zu kontrollieren, setzt sie die gesellschaftliche Zweckbestimmung der Ersten Verfassungsergänzung [First Amendment] in die Tat um.« 29
Die Medien dienen in der Tat einem »gesellschaftlichen Zweck«, doch dürfte es ein ganz anderer sein als der von Richter Powell beschriebene. Er läßt sich eher mit dem vergleichen, was James Mill im 18. Jahrhundert über die staatliche Erziehung schrieb: Sie solle »die Menschen zu einer tugendhaften Bindung an ihre Regierung« sowie an die gesellschaftliche Ordnung im allgemeinen bilden. 30 Die Medien tragen also durchaus nicht zu einer von den Konservativen an die Wand gemalten »Krise der Demokratie« bei, sondern schützen als aufmerksame Wächter die Privilegiengesellschaft vor der Bedrohung durch öffentliche Einmischung. Wenn diese Folgerung stimmt, beruht der erste Einwand gegen die Demokratisierung der Medien auf einer falschen und tatsachenfremden Analyse.
Ein zweiter Einwand ist substantieller und gerechtfertigter: Die Forderung nach Demokratisierung könnte höchst unliebsame Bemühungen verbergen, die geistige Unabhängigkeit durch öffentlichen Druck einzuschränken; auch in der politischen Theorie ist von solchen Gefahren die Rede. Das Problem läßt sich nicht einfach vom Tisch wischen, ist aber keine mit der Demokratisierung notwendig verbundene Erscheinung. 31
Die grundlegende Fragestellung ist, wie mir scheint, eine andere. Unsere politische Kultur hat ein anderes Demokratieverständnis als die brasilianischen Bischöfe. Für diese ermöglicht Demokratie den Bürgern den Zugang zu Informationen, die Beteiligung an Diskussionen und politischen Zielsetzungen und die Umsetzung von Programmen in politisches Handeln. Unser Demokratiebegriff ist reduzierter: Der Bürger ist Konsument und Beobachter von, aber nicht Teilnehmer an politischen Vorgängen. Die Öffentlichkeit hat das Recht, zu politischen Vorschlägen, die nicht aus ihrer Mitte kommen, Stellung zu beziehen; wenn jedoch diese Grenzen überschritten werden, kommt es zu einer »Krise der Demokratie«, die bewältigt werden muß.
Dieses Konzept geht auf Anschauungen der Gründungsväter der amerikanischen Verfassung zurück. Die Föderalisten, so der Historiker Joyce Appleby, erwarteten, »daß die neuen politischen Institutionen auch auf der Grundlage tradierter Annahmen über eine politisch aktive Elite und ein ehrerbietigwilliges Wahlvolk funktionieren würden«, während »George Washington hoffte, daß sein außerordentliches Prestige die große, nüchterne, dem common sense verpflichtete Bürgergemeinde, an die Politiker sich immer wenden, dazu bringen würde, die Gefahren einer aus eigener Kraft heraus geschaffenen Gesellschaft zu erkennen.« 32 Trotz ihrer Wahlniederlage setzte die Konzeption der Gründungsväter sich durch, wenngleich, bedingt durch den aufkommenden Industriekapitalismus, in anderer Gestalt. JohnJay, der Präsident des Kontinentalkongresses und erste Oberste Bundesrichter, beschrieb sie mit folgenden Worten: »Die Leute, die das Land besitzen, sollen es auch regieren.« Und sie müssen dabei nicht allzu menschenfreundlich verfahren. Als es wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung gab, schrieb Gouverneur Morris 1783 an John Jay: »Es ist durchaus möglich, daß es zu einigen Konvulsionen kommt«, aber Anlaß zur Besorgnis sei nicht gegeben. »Das Volk ist gut darauf vorbereitet«, daß die Regierung »jene Macht [übernimmt], ohne die Regierung ein bloßes Wort wäre ... Da das Volk kriegsmüde ist, darf seine Zustimmung als absolut sicher gelten, und Ihr wißt aus Erfahrung, mein Freund, so gut wie ich, daß es nur einiger Männer von Herz und Geist bedarf, die sich zusammenfinden und zur Autorität erklären, um die wenigen, die abweichender Meinung sind, durch das eindrucksvolle Argument des Stricks von ihrem Fehler zu überzeugen.« Mit dem »Volk«, bemerkt der Verfassungshistoriker Richard Morris, »war eine kleine nationalistische Elite gemeint, die
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