Media Control
Medien begünstigt den Konsens mit tradierten Doktrinen. Wenn man zwischen zwei Werbespots drei Minuten Zeit oder siebenhundert Wörter zur Verfügung hat, kann man keine aufwendigen Begründungen für neue Gedankengänge oder unkonventionelle Folgerungen liefern. Da ist es einfacher, die gängigen frommen Sprüche vorzutragen.
Es ist eine aus unstrittigen Annahmen folgende Erwartung, daß die großen Medien und andere ideologische Institutionen die Sichtweisen und Interessen der herrschenden Macht reflektieren. Daß diese Erwartungen gerechtfertigt sind, haben mehrere Kritiker gezeigt. So liegt z. B. ein von Edward S. Herman und mir ausgearbeitetes Funktionsmodell der Medien vor, das sich von der Standardversion erheblich unterscheidet. 22 Diesem »Propaganda-Modell« zufolge, das aus den gerade erwähnten Gründen höchste Plausibilität besitzt, dienen die Medien den eng miteinander verzahnten Interessen der wirtschaftlichen und staatlichen Macht. Diese Interessen beschränken die Berichte und Analysen auf eine den etablierten Privilegien nützliche Weise und begrenzen demzufolge auch die entsprechenden Debatten und Diskussionen. Wir haben ein breites Spektrum an Beispielen untersucht und unsere Aufmerksamkeit besonders jenen Fällen gewidmet, die für das Propagandamodell den Härtetest darstellen. Das sind die Fälle, die von den Kritikern der angeblich regierungs-feindlichen Exzesse immer wieder als Beweise ins Feld geführt werden: Die Berichterstattung über den Krieg in Indochina, die Watergate-Affäre und andere Ereignisse aus der Zeit, in der, wie behauptet wird, die Medien zum antiautoritären Kreuzzug bliesen. Um den Test möglichst fair zu gestalten, haben wir zudem systematisch Beispiele ausgewählt, die historisch so vergleichbar sind, wie es nur irgend geht: Verbrechen offizieller Feinde vs. Verbrechen, für die die USA und ihre Vasallen verantwortlich sind; gute Taten, insbesondere Wahlen in offiziellen Feindstaaten vs. Wahlen in US-Vasallenstaaten.
Mittlerweile wird das Propaganda-Modell durch Dokumentationen gestützt, die mehrere tausend Seiten umfassen und darf, gemessen an sozialwissenschaftlichen Standards, als gut bestätigt gelten. Seine Voraussagen haben sich insgesamt bewahrheitet. Ernsthafte Kritik an seinen Ergebnissen ist mir nicht bekannt. Vielmehr haben gelegentliche Einwände, sofern das Thema im Mainstream überhaupt einmal zur Sprache kam, die Solidität des Modells eher bestätigt. Die renommierte Untersuchung des Freedom House über die feindselige und für die Demokratie bedrohliche Haltung der Medien hält der Analyse nicht stand und läuft, wenn man die zahllosen Fehler und falschen Darstellungen eliminiert, auf wenig mehr hinaus als den Vorwurf, daß die Medien in der Verfolgung einer an sich gerechten Sache zu pessimistisch waren. 23
Sicherlich gibt es noch andere Faktoren, die das Verhalten von so komplexen sozialen Institutionen, wie die Medien es sind, beeinflussen, und nicht alle Beispiele passen in den allgemeinen Rahmen, den das Propaganda-Modell entwirft. Dennoch bietet es, wie ich meine, eine fürs erste recht genaue Bestimmung der wesentlichen Eigenschaften der Medien und der intellektuellen Kultur, die deren Umfeld ist.
Eine Vorhersage, die sich aus dem Modell ableiten läßt, bezieht sich auf dieses selbst: Es wird in den Medien nicht diskutiert werden, weil es eine Annahme bezweifelt, die den Interessen der etablierten Mächte dienlich ist. Es geht um die These, daß die Medien regierungskritisch und aufsässig sind. Wie gut bestätigt das Propaganda-Modell auch sein mag, so bleibt es doch nach Möglichkeit außerhalb des Spektrums der Mediendiskussion. Auch diese Folgerung ist empirisch gut bestätigt. Klarerweise ist es entweder gültig oder nicht gültig. Wenn es ungültig ist, kann man es unberücksichtigt lassen; wenn es gültig ist, wird man es unberücksichtigt lassen. Ähnlich verfuhr man im 18. Jahrhundert, wenn es um den Vorwurf der »aufrührerischen Verleumdung« ging: War die Verleumdung wahr, wurde sie erst recht als Vergehen verfolgt, denn es galt als schweres Verbrechen, die Autorität gerechtfertigterweise in Verruf zu bringen.
Wenn die Folgerungen, die aus dem Propaganda-Modell gezogen werden können, richtig sind, läuft die konservative Kritik auf die Forderung hinaus, daß die Medien nicht einmal die Bandbreite der Diskussion taktischer Fragen innerhalb der herrschenden Eliten dokumentieren, sondern nur jenen Kräften dienen dürfen, die
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