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Media Control

Media Control

Titel: Media Control Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Chomsky
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Stadien mögen solche Konversionen noch ein gewisses Maß an Authentizität besessen haben, später jedoch verkamen sie zur rituellen Farce. Besonders erfolgversprechend ist die Berufung auf eine böse Vergangenheit. So kann der reuige Sünder beichten, wie er den Einmarsch sowjetischer Truppen in die Tschechoslowakei begrüßte oder Kim II Sung unterstützte oder Martin Luther King als Verräter beschimpfte, um damit all jene, die seinerzeit unfähig waren, das Licht der Wahrheit zu erblicken, implizit zu teeren und zu federn. 85
    Eine Generation nach 1917 waren die UdSSR und die USA zu den Supermächten des ersten wirklich globalen Systems aufgestiegen und verkörperten die beiden Rollen des Intellektuellen in ihren jeweiligen Systemen von Hierarchie und Herrschaft. Dementsprechend unterscheiden sich auch die Indoktrinationssysteme je nach der Fähigkeit des Staats, Zwang und Kontrolle auszuüben. Das interessantere System ist dabei die kapitalistische Demokratie, die darauf setzt, daß der »freie Markt« für Konformität sorgt und die »Sonderinteressen« untergeordneter Gruppen der Gesellschaft marginalisiert.
    Erstrangiges Ziel der Herstellung von Konsens sind diejenigen, welche sich als »Intellektuelle« oder »Meinungsführer« betrachten. Ein Beamter der Regierung Truman bemerkte: »Der allgemeinen Öffentlichkeit sind die Einzelheiten eines Programms mehr oder weniger egal. Was zählt, sind die Ansichten der führenden Persönlichkeiten.« Wer »die Elite mobilisiert, mobilisiert damit auch die Öffentlichkeit«, heißt es in einer wissenschaftlichen Untersuchung zu diesem Thema. Die »› öffentliche Meinung‹, die Truman und seine Berater ernstnahmen und sorgfältig pflegten«, war die der »Meinungsführer«, hebt der Historiker Thomas Paterson hervor. 86 Das gilt nahezu uneingeschränkt, es sei denn, man muß eine »Krise der Demokratie« beheben und rigidere Maßnahmen anwenden, um die allgemeine Öffentlichkeit wieder auf den ihr zustehenden Platz zu verweisen. Ansonsten, so hofft man, ist die Bevölkerung durch Ablenkungen und eine regelmäßige Dosis patriotischer Propaganda zufriedenzustellen.
    In der Demokratie können notwendige Illusionen den Menschen nicht durch Gewalt aufgezwungen, sondern müssen dem Bewußtsein der Öffentlichkeit durch subtilere Methoden nahegebracht werden. Ein totalitärer Staat muß auf die Gedanken der Leute weniger Rücksicht nehmen; ihm genügt es, wenn sie gehorchen. Aber in einer demokratischen Ordnung lauert immer die Gefahr, daß unabhängiges Denken in politisches Handeln umgesetzt wird, und diese Bedrohung muß schon an der Wurzel bekämpft werden.
    Debatten und Diskussionen lassen sich nicht unterdrücken; vielmehr erfüllen sie in einem funktionierenden Propagandasystem ihre Aufgabe, wenn sie in angemessenen Grenzen bleiben. Es ist wichtig, diese Grenzen möglichst eng zu ziehen. Solange Kontroversen im Rahmen jener Voraussetzungen bleiben, die den Konsens der Eliten definieren, können sie sogar künstlich angeheizt werden, weil sie die Grenzen des Denkbaren, die nicht überschritten werden dürfen, befestigen und zugleich den Glauben an die Herrschaft der Freiheit befördern.
    Es geht also, kurz gesagt, um die Macht, bestimmte Themen auf die Tagesordnung zu setzen. Wenn Kontroversen über den Kalten Krieg auf die Frage eingeengt werden können, wie die Eindämmung der sowjetischen Politik aussehen sollte, hat das Propagandasystem, unabhängig von den möglichen Antworten, seine Schlacht bereits gewonnen, denn die Grundannahme steht fest: Der Kalte Krieg ist eine Konfrontation zwischen zwei Supermächten, deren eine expansionistisch und aggressiv ist, während die andere den Status quo und die Werte der Zivilisation verteidigt. Damit ist das Problem, wie die amerikanische Politik eingedämmt werden könne, ebenso vom Tisch wie die Frage, ob nicht auch andere Interpretationen möglich wären, ob der Kalte Krieg nicht vielmehr aus dem Bestreben der Supermächte resultierte, sich ein je eigenes internationales System zu schaffen, das sie beherrschen können, wobei diese Systeme sich, was Umfang, Macht und Reichtum angeht, erheblich voneinander unterscheiden. Die sowjetischen Verstöße gegen die Abkommen von Jalta und Potsdam sind Gegenstand einer umfangreichen Literatur, und einer breiteren Öffentlichkeit bewußt, aber man muß sehr lange suchen, um Bücher über die amerikanische Verletzung solcher Abkommen zu finden, obwohl eine gründliche Untersuchung

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