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Demokratie eine Chance zu geben«, mahnen die Redakteure der Washington Post direkt unter dem Impressum, das ihre Zeitung stolz als »unabhängig« ausweist. 97 Es ist kein Problem, in den Terrorstaaten, die von den USA gedeckt werden, »der Demokratie eine Chance zu geben«.
Im selben Kommentar weist die Washington Post warnend darauf hin, daß »Nicaraguas Vordringen auf honduranisches Gebiet [im März 1988] deutlich macht, in welcher Weise Nicaragua Honduras bedroht«. Diese Bemerkung bezieht sich auf militärische Operationen im Norden Nicaraguas nahe der dort nicht markierten Grenze, wo nicaraguanische Streitkräfte bei der Verfolgung von Invasoren der Contras einige Kilometer weit in ein Gebiet eindrangen, das Honduras längst den US-»Söld-nertruppen« überlassen hatte - so jedenfalls werden die Contras von ihrem offiziellen Sprecher und der amerikanischen Lobby bezeichnet. 98 In den Vereinigten Staaten führte das Vorgehen Nicaraguas zu erneuten Zornesausbrüchen, weil die Sandinisten offensichtlich dabei waren, im Dienst ihres sowjetischen Herrn die Nachbarn zu überfallen.
Diese von Herzen kommende Besorgnis über Grenzverletzungen ist höchst beeindruckend, aber auch ein wenig einseitig, denn anscheinend ist die Grenze nicht heilig, wenn die CIA die Invasion der Contras in Nicaragua mit Versorgungsflügen begleitet oder wenn US-Aufklärer nicaraguanisches Gebiet überfliegen, um den Söldnertruppen den richtigen Weg zu zeigen. Im übrigen können wir die Ernsthaftigkeit der Besorgnis an einem anderen Beispiel verdeutlichen, das die Geschichte, in einer Art von kontrolliertem Experiment, damals bereitwillig zur Verfügung stellte. Gerade als die freie Presse sich über die Vergehen der kommunistischen Totalitaristen echauffierte, startete Israel eine weitere Operation im Libanon, und zwar jenseits der Nordgrenze des Südlibanon, den Israel als »Sicherheitszone« praktisch annektiert hat und dessen 200 000 Einwohner gezwungen werden, »Soldaten für die südlibanesische Befreiungsarmee«, ein israelisches Söldnerheer, abzustellen. 9 9 Die Israelis bombardierten ein palästinensisches Flüchtlingslager und mehrere libanesische Ortschaften, wobei es viele tote und verwundete Zivilisten gab. Über diese Operationen wurde in der freien Presse so gut wie nichts berichtet.
Mithin dürfte die Aufregung über Nicaraguas »Vergehen« bloßer Schwindel gewesen sein.
Die US-Regierung erklärt gern, warum sie die israelische Gewalt im Libanon unterstützt: Es geht dabei um das geheiligte Recht auf Selbstverteidigung, auf das sich die Vereinigten Staaten und ihre Vasallen berufen dürfen, nicht jedoch andere Staaten, und schon gar nicht die Opfer US-amerikanischen Terrors. Im Dezember 1988, gerade als Jassir Arafat gründlich und mißtrauisch beäugt wurde, ob er wohl den amerikanischen Maßstäben für einen Terroristen gerecht würde, griff Israel einen Stützpunkt der PFLP (Volksfront für die Befreiung Palästinas) nahe Beirut an. Wie üblich, wurde keine Begründung genannt und noch nicht einmal ein Vorwand angegeben. »Die Israelis verfolgten keine Terroristen«, bemerkte der Londoner Guardian, »und hatten auch nicht die übliche Entschuldigung - unmittelbare Vergeltung - parat. Sie wollten einfach ein Exempel statuieren, [um zu zeigen], daß die eiserne Faust fähig ist, zuzuschlagen ... Es ging offenkundig darum, Stärke zu demonstrieren.« Die mit »Fallschirmjägern, Helikoptern und Kanonenbooten durchgeführte Operation [war] eine militärisch nicht zu rechtfertigende (mithin politisch motivierte) Aktion«. Ausschlaggebend für das Motiv war der Zeitpunkt: der erste Jahrestag der Intifada in den besetzten Gebieten, wo Israel mit »massiver Militärpräsenz, Ausgangssperren und strengen Zensurmaßnahmen ... einen General-streik im Gedenken an den Aufstand« verhindern wollte. Außerdem war es auch der »kalkulierte Versuch, Arafats Autorität zu untergraben« und gegen seine unliebsamen Versuche, eine politische Lösung herbeizuführen, die militanten Kräfte in der PLO zu stärken. 100
Daß die israelischen Aktionen in den amerikanischen Medien kein Echo fanden, mag verständlich sein, wenn man bedenkt, daß ihnen auch in Israel selbst kaum größere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Sie waren nicht vergleichbar mit der mörderischen Operation »Eiserne Faust«, die 1985 den Libanon verheerte, oder mit der Bombardierung von Ortschaften im Bekaa-Tal 1984, oder dem Angriff auf eine Schule der UNRWA in
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